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Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)

Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)

Titel: Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Dorpema
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Elf.
     

    Latenor ließ sich grazil in seinen eleganten Thron aus schwarzen Edelsteinen und menschlichen Knochen nieder und starrte gedankenverloren auf das in Gold gerahmte Portrait Nithrals. Er wusste nicht, seit wie vielen Zyklen das schmale Gesicht mit den langen, glatten, dunkelgrauen Haaren und den roten Augen die Wand über dem Eingangstor schmückte. Für den Bruchteil eines Augenblicks formte sich der Gedanke, in die Folterkammer zu steigen und seinem Unmut an den Menschen auszulassen, doch er verwarf diesen Plan im Moment seiner Entstehung wieder.
    Unentschlossen erhob sich Latenor leichtfüßig von seinem Thron und bewegte sich lautlos auf den gen Osten gerichteten Balkon zu. Der Blick auf sein vernichtendes Heer erfüllte ihn mit Stolz.
    Auf einmal schoss ihm die Nachricht seiner Dienerin durch den Geist. Womöglich war sie doch nicht so belanglos, wie er zunächst angenommen hatte. Ein weiterer Spähtrupp hatte ihm nämlich berichtet, dass Waldoran ein Dreiergespann anführte, welches – bis auf die Tatsache dass ein Mensch hinzugekommen war – genau auf die Beschreibung zutraf. Waldoran – das wusste der Herrscher des Westens von seiner Zeit bei den Elfen – würde sich nicht ohne Weiteres von seiner Heimat Antár und von Saliana, seiner Fürstin trennen. Es musste sich um eine Mission von monumentaler Bedeutung handeln, um ihn von seinen Wurzeln loszureißen.
    Die Schneise der Verwüstung, welche das Quartett einer Spur gleich hinter sich ließ, hatte einigen seiner Orks das Leben gekostet. Dies war zwar nicht von enormer Bedeutung, doch wenn ihre Reise etwas mit der Geburt des einen Schatten zu tun hatte, musste Latenor umgehend handeln; die Geburt einer solchen Kreatur konnte niemand vorhersehen – da sie sich in unregelmäßigen Intervallen ereignete – und sie wanderten nach ihrer beinahe einen Mond langen Geburt, in welcher sie hilflos allen Gefahren ausgesetzt waren, vor den Knochenturm Latenors, um einen Eid auf den Westen zu schwören. Die vier Feiglinge durften seine Waffe nicht in die Hand bekommen. Er musste sie aufhalten. Gleichwohl wunderte sich Latenor, was das eigentliche Ziel dieser auserwählten Mission sein sollte, da die östlichen Herrscher nichts von der Geburt des Schattens gewusst haben konnten.
    Ein breites Grinsen zierte Latenors feines, formschönes Gesicht, als er auf seinen Balkon hinausschritt. Der Himmel bestand aus dickflüssiger, schwarzer Tinte, in welche eine blutrote Scheibe, der Westmond, gelegt worden war. In den wolkenlosen Nächten des Ostens konnte man ihren schillernden Mond erblicken, dessen silbern-blaues Licht von den enormen Meeren an seiner Oberfläche rührte. An diesem Tag hatte die Tinte sich jedoch in den Osten verteilt; ein gutes Omen, befand Latenor zufrieden.
    „ Sklavin.“ zerriss seine gläserne Stimme die Stille.
    „ Herr.“ antwortete die herbeieilende Dienerin mit gesenktem Haupt.
    „ Bring mir Addor.“
„Sehr wohl, Herr.“ presste sie ängstlich hervor und verschwand.
    Latenors Stiermeister sollte ihm zwei Dutzend Telénastiere vorbereiten und diese mit einem Trupp Orks auf die hilflose Suizid-Mission hetzen.
    Was auch immer Waldoran vorhatte, der Elf musste scheitern.
     

     

     

     

     

XXVII
     

     

     

     

    „ Paradur. Ich freue mich deine Gesellschaft zu dieser späten Stunde noch genießen zu dürfen.“ begrüßte Torabur seinen General freundlich. In genau diesem Augenblick befreite der schmale Stratege seine Axt aus dem Gürtel und begann einen manischen Angriff auf seinen Herrscher. Torabur hatte keine Zeit sich auf die Hiebe vorzubereiten und schaffte es in der letzten Sekunde, seinen Hammer zu ziehen – ohne welchen er sich nach dem überhörten Gespräch nicht zur Tür gewagt hatte – und den Großteil der Schläge zu parieren. Glücklicherweise hatte er sich seiner diamantbesetzten Rüstung noch nicht entledigt. Lederne Lumpen befanden sich zwischen den Eisenplatten des Hauptkörpers, weswegen er in der Bibliothek nicht durch verräterisches Klirren entdeckt worden war. Einige schmerzvolle Hiebe trafen den König dessen ungeachtet dumpf am Körper, doch dieser weigerte sich, einen Zwerg zu verletzen.
    „ Paradur.“ hallte seine feste Stimme durch den Turm.
    Die Antwort des besessenen Offiziers bestand aus weiteren, ebenso brutalen Hieben, doch die kräftige Stimme des Königs warf ihr Echo nicht häufig durch die hohen Korridore aus festem Gestein und so eilten einige Wachen Torabur umgehend zur Hilfe

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