Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)
schlanken Beine ermöglichten es dem Elfen, weitere Schritte zu nehmen als Dante und erst recht als Garandor.
Der Zwerg verstand die Entscheidung Waldorans nicht. Die Aussicht dass sie vor den Truppen der Feinde ankommen würden, war verschwindend gering. Außerdem fürchteten sich, wie Dante bereits angsterfüllt zu bedenken gegeben hatte, sogar die Bäume davor.
Doch im Endeffekt blieb Garandor keine andere Option, als Waldoran und Dante weiterhin zu folgen, auch wenn es ihren gemeinsamen Tod bedeutete.
Einige Momente später bemerkte der Elf, dass die seine Gefährten nicht mit seiner unheimlichen Geschwindigkeit mithalten konnten, weswegen er sein Tempo nach wenigen Schritten drosselte.
Die Landschaft wurde stets karger und die Temperatur sank rapide. Bald war Dante gezwungen sich ein dickeres Fell über die Schultern zu legen, welches er während dem ersten Teil der Reise lediglich als Verstärkung um seinen Beutel gewickelt hatte. Waldoran und Garandor hatten nicht mit der Kälte zu kämpfen. Zwerge gediehen in der Kälte und die Kälte empfing sie mit überschwänglicher Freundlichkeit, da ihre Stollen und Steinfesten das Sonnenlicht nicht kannten. Elfen hingegen verspürten keine Kälte. Waldoran trug stets dieselbe, leichte Lederrüstung und doch sah man ihn nie frieren oder gar zittern.
Mittlerweile konnte man erkennen, dass weißer Schnee die Gipfel der höheren Berge zudeckte und einen majestätischen Anblick erschuf. Wie eine Krone kam der Schnee einem vor, dachte Garandor, der etwas hinter Waldoran und Dante zurückgefallen war und – für den Augenblick – fasziniert die karge Landschaft betrachtete. Das Gras war nun beinahe vollständig verschwunden. Nur noch einzelne Halme ragten verloren aus der trockenen Erde. Es war, als ob selbst das Gras die Präsenz des Bösen spürte und die wenigen Halme, die nicht rechtzeitig Schutz unter der Erde gesucht hatten, lebensmüde Krieger waren, bar jeder Verve. Auch die Bäume und das Gesträuch wichen der kühlen, blassen Kargheit. Garandor überlegte, ob es hier ausreichend Nahrung für sie geben würde, doch wagte es nicht, Waldoran zu fragen. Er war sich sicher, dass Waldoran sie nicht verhungern lassen würde.
Dichte Wolken zogen auf, kündigten den bevorstehenden Regen an; einen niederschmetternden Regen, wie sie bald feststellen mussten. Fette Tropfen verschwendeten ihre letzte Energie daran, die Gefährten vorwärts zu peitschen. Dante und Garandor zogen ihre Kapuzen über, Waldoran nicht. Sie erreichten nun den Teil der Reise, der unglaubliche Anstrengung prophezeite. Die letzte Rast, bevor sie sich in die ersten Ausläufer der Berge wagten, war von einer überaus angespannten – und im Falle Garandors, betrübten – Stimmung geprägt. Nun würde sich herausstellen, ob die bisherigen Ereignisse den Zwerg auf die wahren Gefahren vorbereitet hatten.
XXIV
Der Regen setzte Lannus zu. In seiner Eile hatte er vergessen, Kleidung oder Felle mitzunehmen, die ihn vor den herabstürzenden Wassermassen und dem schneidenden Wind beschützen konnten. Seine Füße hatten eine ungesunde, bläuliche Farbe angenommen; er zitterte.
Plötzlich schlich sich ein bedrohlicher Gedanke ein. Sollte er in dieser gottverlassenen Gegend zusammenbrechen, würde er entweder verdursten, verhungern oder erfrieren – wobei die Kälte vermutlich am ehesten zu Lannus‘ Ende werden konnte, da ihm ein Pferd als Nahrung und der Regen zum Trinken blieb – schließlich benutzte niemand diese Straße. Ein grauenhaftes Ende, eingeschläfert von der Kälte.
Blitze erleuchteten die nahenden Berge für wenige Augenblicke, bevor die mächtigen Silhouetten sich in die Dunkelheit zurückzogen.
Teranons Kräfte ließen zudem nach. Den weitesten Teil der Strecke hatte sich der Hengst tapfer geschlagen und die Schritte in Windeseile in den Staub getreten, doch ohne das Gras verlangsamte sich sein Flug, während die gefährlichen, kräftigen Seitenwinde Lannus warnen wollten; versuchten, ihn zur Umkehr zu zwingen.
Die Schatten der Berge schüchterten ihn nun plötzlich ein und Verzweiflung klopfte hinter seinen Augenlidern, wurde zum unerwünschten Gefährten. Lannus zweifelte daran, ob er es schaffen würde, einen Umweg um das Gebirge zu reiten. Er zweifelte daran, ob der Fluchtplan nicht vollkommen sinnfrei war, ob Kandra ihn nicht aus irgendeinem unerfindlichen Grund verraten hatte; ihn loswerden wollte, womöglich. Die quälenden Gedanken wurden erstickt,
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