Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)
Berichten der Krieger. Womöglich lag es auch daran, dass diesem Exemplar gerade ein klebriges Stück seines handtellergroßen Gehirns aus dem Auge quoll.
Noch bevor Lannus sich wieder gefangen hatte, drängte Waldoran sie vorwärts.
„ Wir müssen weiter. Ich bin mir sicher, dass hier weitere Orks lauern.“ rief der Elf im Davontraben.
Bereits nach einem kurzen Stück konnte Garandor nicht mehr. Erschöpft sackte er gegen einen Baum und blieb sitzen. Es ging nicht mehr.
„ Waldoran, warte.“ rief Dante dem Elfen zu, der bereits einen Abstand von vierzig Schritten aufgebaut hatte. Dante fragte sich, ob er nicht zu leise gerufen hatte, doch gerade als er den Mund erneut aufmachte, drehte sich der Elf um. Aus der Entfernung konnte man nicht erkennen, was in seinem Gesicht vor sich ging, doch dass diese Nachricht Waldoran nicht erfreute, konnte sich der junge Menschenkrieger selber ausmalen. Mit schnellen, weiten Schritten flog Waldoran zurück und blickte den Zwerg knapp an. Lannus hielt sich im Hintergrund und beobachtete das Geschehen.
„ Eine kurze Rast. Kein Feuer, kein Geräusch.“ zischte Waldoran vorsichtig, als er erkannte, dass Garandor in dieser Verfassung unmöglich marschieren konnte.
Der Elf kletterte in einen Baum, um nach Feinden Ausschau zu halten. Obwohl er sich der Tatsache bewusst war, dass er seine drei Mitreisenden behüten sollte, konnte er den Blick nicht vom Gebirge losreißen, dessen erste Anhöhen sie nun passierten. Sie mussten dieses Objekt so rasch wie möglich erreichen, obgleich er nicht wusste, um was es sich handelte und stark anzweifelte, dass sie den Weg überleben würden.
XXVI
Aus dieser Höhe wirkte das Einzelne minuziös und die Gesamtheit seines Reiches enorm. Der mehrere hundert Schritt hohe Turm aus diversen, wertvollen Materialien wie Gold und Mondgestein – ein mysteriöser, silbern-glühender Diamant – ragte im Zentrum des dunklen Reiches empor wie eine Nadel.
Seit Latenor die Macht an sich gerissen hatte, war der ästhetische Wert seines Landes um ein Vielfaches gestiegen. Sämtliche Hütten, Häuser und Höhlen, die ihm nicht gefielen, hatte er vernichten lassen. Alles, was neu erbaut wurde, war bis auf den zehnten Teil eines Schrittes abgemessen und von den besten Architekten – und mit der Hilfe einer Armee kräftiger Orks und Stiere – errichtet worden. Davor hatte ein Meer aus dreckigen, unordentlichen, verwesenden Hütten den Platz um Latenors Turm gesäumt. So etwas Scheußliches konnten nur Orks erbauen. Nicht einmal die alltäglichen Häuser der Menschen konnten sich mit der Widerwärtigkeit der orkischen Behausungen messen.
Latenor lächelte sich selbst zu, als ihm erneut bewusst wurde, wie hervorragend sein Plan funktioniert hatte. All die Winter, all die Sehnsucht nach dem Thron, doch dass die Übernahme derart widerstandslos vonstattengegangen war, hatte er sich nicht in seinen kühnsten Träumen erhofft.
Nachdem seine Spitzel ihm verraten hatten, dass Solthur der Absolute, Herrscher der Finsternis, von seinen Kräften verlassen wurde, hatte sich der Elf auf seine eigene Mission begeben; eine Mission mit dem simplen Ziel, Solthur zu ermorden.
Sein wachsendes Lächeln verzerrte das blasse Antlitz zu einer furchteinflößenden Grimasse, als er sich daran erinnerte, wie er, vorbei an den Wachen in den Turm geschlichen war und Solthur lediglich seinen verzauberten Elfendolch in die Brust hatte rammen müssen, um die Herrschaft über ein gesamtes Reich, über die Hälfte Santúrs zu ergreifen.
„ Herr.“ ertönte eine ängstliche Frauenstimme hinter Latenor, welche ihn aus seinen befriedigenden Gedanken riss. Ruckartig drehte sich der Elf auf den Absätzen seiner hohen, schwarzen Stiefel um und schlug der Frau mit der Rückseite seiner Hand ins Gesicht. Dies war überaus schmerzvoll, da sein ebenfalls schwarzer Handschuh mit winzigen Stacheln aus den Knochen erlegter Gegner übersät war. Sie hielt sich die blutende Wange und stolperte einige Schritte zurück.
Latenor verabscheute Menschen. Sie besaßen keine Weisheit, keine Ehre und keine Stärke und doch gehörten sie zu den mächtigsten Völkern der Insel. Zudem behandelten sie die überlegenen Elfen nicht mit dem ihnen gebührenden Respekt, schoss es ihm durch den Geist, als er seiner Sklavin einen verächtlichen Blick zuschleuderte. Glücklicherweise lernten sie mit der Zeit, wie sie einen König anzusprechen hatten und wann sie es nicht
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