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Jenseits der Eisenberge (German Edition)

Jenseits der Eisenberge (German Edition)

Titel: Jenseits der Eisenberge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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seit Jahren bewährt hatte, wollte man solchen speziellen Sklaven wie Lys ermöglichen, den Transport zu überleben. Die Sklaventreiber waren zumeist harte, innerlich verrohte Männer. Übergab man ihnen einen körperlich unversehrten Sklaven, fanden sie schnell einen Grund, ihn halb zu Tode zu peitschen, ob es ihnen verboten wurde oder nicht. Selbst Strafen oder hohe Geldprämien hatten nicht befriedigend geholfen, viele Aufseher teilten die Ansicht, dass ein Sklave ohne Narben wertlos war. Eine Handvoll blutiger Striemen am Rücken schon bei der Abreise stellte sie zumeist soweit zufrieden, dass sie sich auf Befehl unterwegs zurückhielten – es sei denn, der Sklave versuchte irgendwelche Dummheiten. Nun, das war in diesem Fall wohl nicht zu erwarten …
    Maggarn bedauerte Lys nicht wirklich. Ein Fürst, der einem Liebhaber hinterherrannte wie einer läufigen Hündin hatte es in seinen Augen nicht besser verdient und er war froh, Lys so bald wie möglich aus dem Palast entfernen zu können. Kumien hatte sich in den vergangenen Tagen nichts anmerken lassen, sich sogar hart und abgeklärt gegeben; doch Maggarn wusste, wie sehr sein Bruder litt.
    „Steh auf, Erek!“, befahl er und stieß leicht mit dem Fuß gegen die zusammengekauerte Gestalt. Sie würden Lys’ Tarnung weiter aufrecht erhalten, weniger um ihn zu schützen als Maruv den Triumph zu verweigern. Außerdem war Maggarn diese Geschichte vom Bastardsohn wider Willen sehr sympathisch – ein solch hochrangiger Fürst, der sich freiwillig auf diese Weise demütigte, um unerkannt zu bleiben, wer hatte so etwas schon gehört? Schließlich war jeder frei geborene Tagelöhner noch gesellschaftlich angesehener als selbst der höchste Bastard, Maggarn wusste das besser als jeder andere.
    Mit langsamen Bewegungen wandte sich Lys ihm zu und betrachtete ihn aus großen, schmerzerfüllten Augen.
    „Steh auf“, wiederholte Maggarn geduldig und diesmal gehorchte der junge Mann. Zufrieden stellte Maggarn fest, dass Lys zwar wie trunken schwankte, aber dennoch aus eigener Kraft stehen konnte. Branco hatte ihm versichert, nicht allzu heftig zugeschlagen zu haben, schon weil Lys bereits so viele Narben besaß. Der oberste Kerkeraufseher mochte abstoßend sein, aber er erfüllte seine Pflicht stets sorgfältig.
    Maggarn schüttete Lys einen Eimer Wasser über den Kopf, um zumindest ein bisschen von dem Kerkerdreck und -gestank fortzuspülen, was Lys sich ergeben gefallen ließ. Als Maggarn ihn flüchtig mit einem Tuch abtrocknete, stieß er gegen die Silberkette und zischte vor Schmerz und Verwunderung, als er einen Schlag erhielt, so als hätte ein Blitz ihn getroffen.
    „Was zum …?“ Er griff nach der Kette, doch Lys wich zurück, mit einem Ausdruck solch starker Wut und bedrohlicher Wachsamkeit, dass Maggarn innehielt.
    „Ich dachte, du bist gebrochen“, murmelte er verdutzt.
    Lys kauerte schwer atmend an der Wand und beobachtete ihn, auf der Hut wie ein wildes Tier, das in die Ecke gedrängt wurde.
    Maggarn schloss die Kerkertür, verriegelte sie von innen mit seinen eigenen Schlüsseln. Dabei bewegte er sich sehr langsam und wandte Lys keinen Moment lang den Rücken zu.
    „Willst du fliehen?“, fragte er, ohne zu spotten, dafür milde interessiert. Lys schüttelte stumm den Kopf.
    „Warum widersetzt du dich dann?“
    „Das tue ich nicht.“ Mühsam richtete Lys sich auf, den Blick zu Boden gesenkt. „Ich bin zerbrochen, Maggarn, als wäre ich eine Vase, die Kumien an die Wand geworfen hat. Ich habe nicht die Kraft zu fliehen und wüsste auch nicht, wohin“, wisperte er.
    „Was ist das für eine Kette? Warum verteidigst du sie wie eine Bärenmutter ihr Junges?“
    „Sie ist alles, was ich noch habe. An ihr hängt meine letzte Hoffnung.“
    Maggarn gab es auf, das Rätsel lösen zu wollen. Er sah, wie Lys vor Kälte zitterte, und reichte ihm die Kleidungsstücke, die er mitgebracht hatte.
    „Zieh dich an, du wirst die Nacht im Hof verbringen. Morgen früh geht es zu den Minen.“ Er musste Lys auffangen, der plötzlich in die Knie einbrach. Verblüfft starrte er auf dieses nasse, bebende Geschöpf nieder, das sich an ihn klammerte wie ein Ertrinkender.
    „Helft mir, Maggarn“, flehte Lys, „bitte, helft mir! Sie dürfen mir die Kette nicht wegnehmen.“
    „Was soll ich dagegen tun? Ich kann den Sklavenaufsehern zwar sagen, dass dieses Ding von Priestern geweiht wurde, aber das macht sie höchstens neugierig. Irgendwann werden sie es dir

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