Jenseits der Eisenberge (German Edition)
Gelegenheit günstig. Ich bin froh darüber, noch länger möchte ich wirklich nicht als Priester auftreten und für jedermanns Seelenheil hier beten müssen! Auch wenn ich dankbar bin, dass ich diese Tarnung annehmen durfte.“
Elyne lächelte nur schmal. Ohne die Priester wäre ihr geliebter Bruder niemals in diese Lage geraten, niemand wusste das besser als ausgerechnet sie …
„Was muss ich tun?“, fragte sie sachlich.
„Wenn ich Euch ein Zeichen gebe, bittet Ihr um eine Rast. Geht dann, wenn niemand auf Euch achtet, ein Stück abseits, als wolltet Ihr lediglich … nun ja. Alles Weitere wird sich fügen. Ihr solltet nicht schreien, wie Ihr wisst, sind die Räuber nicht in der Lage, gegen eine solche Soldatengruppe zu kämpfen.“
„Ihr könnt Euch auf mich verlassen.“ Elyne lächelte ihm zu. „Was ist mit Euch?“
„Ah – ich werde ebenfalls entführt, diese Räuber kennen nun mal keinerlei Anstand.“ Tomar blinzelte ihr zu und verließ das Zelt.
Aufgeregt machte Elyne sich für den Aufbruch bereit. Vielleicht würde sich ja irgendwie alles zum Guten wenden?
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Lys schlief noch, als Kumien das Schlafgemach betrat, doch er erwachte von der Unruhe und setzte sich auf. Das Lächeln, das er ihm schenkte, war so voller Wärme und Freude darüber, ihn zu sehen, dass Kumien um ein Haar schwach geworden wäre. Aber dann bemerkte Lys Maggarn und die Wächter, die hinter Kumien standen, und das Lächeln verlor sich.
In stillem Entsetzen weiteten sich seine Augen, bleich starrte er ihn an. Er sah so jung aus in diesem Moment, so verwundbar, dass es Kumien das Herz zerriss. Doch er musste stark bleiben und das Richtige tun.
„Aufstehen!“, befahl er harsch.
Lys zögerte kurz, wollte offensichtlich nicht nackt vor den Wächtern stehen; bevor ihm aber jemand die Decke fortreißen konnte, erhob er sich und stellte sich aufrecht, mit erhobenem Haupt vor ihm hin.
„Wie lautet die Anklage?“, fragte er, mit einem Hauch von Trotz in der Stimme, der über das verständnislose Entsetzen nicht hinwegtäuschen konnte.
Kumien holte aus und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht.
„Knie nieder vor deinem Layn, Sklave!“, donnerte er.
Lys erstarrte kurz, funkelte ihn so wütend und hasserfüllt an, wie Kumien es bei ihm niemals für möglich gehalten hätte, sank dann allerdings demütig zu Boden. Erleichtert, dass die erste Hürde ohne allzu viel Gewalt genommen war, gab Kumien seinen Wächtern einen Wink.
„Nehmt ihn mit, dieser Sklave hat mich betrogen. Er wird in die Minen geschickt.“
Lys wehrte sich nicht, als ihm die Hände mit Eisenschellen auf den Rücken gefesselt wurden. Mit gesenktem Kopf ließ er sich auf die Füße ziehen. Als der Anführer der Wächter aber nach der silbernen Kette griff, wich er fauchend zurück. Der Wächter schlug ihm mit der Faust in den Unterleib, Lys sackte keuchend in sich zusammen.
„Halt!“, befahl Kumien und hinderte den Wächter so gerade noch daran, ein zweites Mal zuzuschlagen. „Diese Kette ist das Geschenk einer Priesterin, er darf sie nicht ablegen.“
„Ja, Mebana.“ Der Wächter verneigte sich, zerrte Lys dann wieder in die Höhe. „Soll ihm die Zunge herausgeschnitten werden?“
Kumien wartete mit der Antwort, als müsste er darüber erst nachdenken. Lys’ Augen flehten ihn an, wovon er sich nicht beeindrucken ließ. Nicht äußerlich, jedenfalls.
„Nein, er kennt keine Geheimnisse, die mir schaden könnten“, erwiderte er schließlich.
„Er kommt zu Pocil, ich wünsche, dass er lebendig ankommt.“
„Ich werde alles Notwendige veranlassen, Herr, er wird umgehend gebrandmarkt.“
Ein unterdrücktes Seufzen schlüpfte über Lys’ Lippen. Er sagte nichts, versuchte nicht, um Gnade zu betteln. Doch das Licht in seinen Augen erlosch. Kumien glaubte fast, ihn innerlich zerbrechen zu hören. Es machte ihn krank. Zwei Wächter packten ihn links und rechts an den Armen, zwangen ihn, vorwärts zu laufen. Lys war größer gewachsen als jeder andere in diesem Raum, aber wie er da gefesselt abgeführt wurde, erschien er Kumien so klein und verletzlich, dass er den Blick abwenden musste.
„Geh ihnen nach“, flüsterte er Maggarn zu, kaum, dass die Tür sich geschlossen hatte. „Folge ihnen. Sag, dass sie nicht zu grausam sein sollen, wenn sie … wenn sie ihn …“ Er stockte, fand keine Worte für das, was er so dringend ausdrücken wollte. „Sag ihnen, sie sollen nicht …“
„Ich werde es ihnen sagen“, erwiderte
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