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Jenseits der Finsterbach-Brücke

Jenseits der Finsterbach-Brücke

Titel: Jenseits der Finsterbach-Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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frischen Brötchen. Zwischen dem Geklapper von Geschirr hörte ich meinen Vater vor sich hin summen. Flop stieß die angelehnte Küchentür mit der Schnauze auf und verschwand begeistert in den Speckduftschwaden. Doch wir hatten vor dem Frühstück etwas anderes zu erledigen.
    »Hier!«, sagte ich mit einem gewissen Stolz und öffneteeine Tür aus dicken Eichenbohlen auf der anderen Seite des Flurs. »Das ist der Weg in den Keller.«
    Vor uns führte eine steile Treppe schier endlos weit in die Tiefe. An den Wänden steckten in gusseisernen Haltern alte Fackeln, doch als ich auf einen Schalter drückte, strahlten freundliche Lampen von der Decke herab. Zwischen den Fackeln hingen Zeichnungen von Pflanzen und Muscheln und da und dort hing auch ein schönes Spinnennetz. Weder Flint noch Frentje brachten es übers Herz, die Kunstwerke der Spinnen zu zerstören.
    »Dies ist der beste Keller aller Zeiten«, sagte ich, während Joern mir die Stufen hinunterfolgte. »Es gibt eine Unmenge Verstecke und dunkle Ecken und ein Raum ist vollgestopft mit verstaubten Weinflaschen.«
    Ich führte Joern an Vorratsregalen vorbei, unter gemauerten Bögen hindurch, immer weiter ins Innere des riesigen Kellers. Unsere Schritte hallten von den steinernen Wänden wider und Joern fuhr mit der Hand die kühlen Backsteine entlang. »In diesem Keller könnte man bestimmt einen wunderbaren Film drehen«, sagte er, »über … Ritter.«
    Wir sahen uns an. Der Weiße Ritter. Würden wir ihn an diesem Tag wiedersehen?
    »Es gibt sogar eine Rüstung im Keller«, sagte ich. »Keine Ahnung, wo Flint die herhat.«
    Ich knipste das Licht einen Raum weiter an – und erschrak. Ich erinnerte mich an eine ganz normale metallene Rüstung, aber die Rüstung, die jetzt vor uns stand, warweiß. Ich blinzelte. Nein. Es war nur der Glanz des Metalls im grellen Lampenlicht, der sie weiß erscheinen ließ.
    »Komm«, sagte ich und zog Joern an der Ritterrüstung vorbei. »Hier sind die Kisten, in denen Flint alte Sachen aufbewahrt.«
    Wir öffneten Deckel um Deckel und fanden eine Menge unnützer Dinge: Rollschuhe ohne Rollen, kaputte Kaffeemaschinen, rissige Isomatten, fleckige Topfuntersetzer, alte Zeitschriften voller Stockflecken …
    »Hier sind meine Schlittschuhe!«, rief ich. »Oh, du wirst sehen, wenn der Winter kommt, laufen wir Schlittschuh auf dem zugefrorenen Fluss und …«
    »Suchen wir dieses Ding?«, fragte Joern. Er hielt etwas hoch, das ordentlich in einen gehäkelten Lappen eingeschlagen war. Joern zog den Lappen beiseite und in seinen Händen lag der schönste Bogen, den ich je gesehen hatte. Er war lang und schlank und an den Enden mit Silber beschlagen. Auf der einen Seite waren Buchstaben in das Silber eingraviert.
    »Für meine geliebte Frau«, las Joern laut. »Damit sie endlich die Zielscheibe trifft und nicht nur die Wand, an der sie hängt.«
    Ich schluckte. »Er … er gehörte meiner Mutter«, stotterte ich. »Sie war genauso schlecht im Schießen wie du.«
    Joern nickte. Dann schüttelte er den Lappen aus und wollte ihn zusammenfalten, doch ich hielt seinen Arm fest. »Warte. Das ist gar kein Lappen. Sieh doch nur! Das ist ein Babyjäckchen!«
    Und das war es, ein gelbes Babyjäckchen mit hellblauem Häkelmuster.
    »Du bedauernswertes Kind«, sagte Joern und lachte. »Was du so alles anziehen musstest!«
    Ich versuchte zu lachen, aber mir war ganz flau im Magen. Ich stellte mir vor, wie meine Mutter herumsaß und diese Jacke für mich häkelte und ab und zu mit dem Bogen danebenschoss und darauf wartete, dass ich geboren würde. Sie hatte nicht geahnt, dass sie mich nie kennenlernen würde. Ich seufzte und legte das Jäckchen zurück in die Kiste.
    »Gehen wir«, sagte ich. »Ich will nicht noch mehr Sachen aus der Vergangenheit finden. Es macht einen ganz schwermütig.«
    »Armer alter Lasse«, sagte Joern und gab mir einen freundlichen Knuff.
    So verließen wir den besten Keller aller Zeiten mit einem versilberten Bogen und ein paar Spinnweben im Haar. Auf einmal merkte ich, dass ich fror. Als wir an der Ritterrüstung vorbeigingen, kam mir irgendetwas daran unheimlich vor. Beobachtete uns der Ritter? Waren dort Augen in der Schwärze hinter dem Visier?
    Nein, sagte ich mir. Unsinn. Natürlich war die Rüstung leer.
    In der Küche war der Kaffee fertig und auch der Kakao. Almut malte gerade Honigmuster auf ein Brötchen. Als wir hereinkamen, sah sie auf und malte die Honigmuster nebendem Brötchen auf dem Tisch weiter. Flint

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