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Jenseits der Finsterbach-Brücke

Jenseits der Finsterbach-Brücke

Titel: Jenseits der Finsterbach-Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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mitgekommen bist.«
    »Hm«, machte ich nur. Ich mochte hohe Dinge wie Feuerleitern nicht. Ich hatte Angst vor der Höhe. Almut kuschelte sich in mein Kissen, über das sie ihr wildes Haar verteilt hatte, und gähnte. »Und jetzt erzählt mal!«, verlangte sie. »Ihr wart den ganzen Tag unterwegs und habt tausend Abenteuer erlebt und mich habt ihr wieder nicht mitgenommen. Wo ist der Kjerk?«
    »Wir haben ihn in den Kühlschrank gelegt«, sagte Joern und lachte.
    »Nein, ich meine in echt«, rief Almut ein bisschen beleidigt. »Am besten, ihr erzählt mir gleich alles, ich finde es nämlich sowieso raus.«
    Damit hatte sie leider recht. Niemand konnte so nervig sein wie Almut, wenn sie etwas wissen wollte. Also erzählten wir ihr die ganze Geschichte von meinem Pfeil mit den blauen Federn und der Höhle und den Gängen unter der Erde und schließlich vom Weißen Ritter.
    »Klingt wie ein Märchen«, sagte Almut am Ende und ungefähr da schlief ich ein.

Nicht mehr als ein Schatten
    K lingt wie ein Märchen«, sagte Almut. »Lasse? Lasse!«
    »Lass ihn schlafen«, sagte Joern und gähnte. »Wir sollten alle schlafen. Es war ein verdammt langer Tag.«
    »Glaubst du an Märchen?«, fragte Almut.
    »Ich weiß nicht«, sagte Joern. »Hier ist alles so anders als in der Schwarzen Stadt. Vielleicht sind Märchen hier möglich.«
    »Kann ich den Brief mal sehen?«
    »Ich weiß nicht, wo Lasse ihn hingetan hat«, sagte Joern und suchte in den Taschen seiner eigenen Hose, die über einem Stuhl hing. »Ich hab nur den Umschlag eingesteckt.«
    Almut knipste die Bettlampe an und drehte den weißen Umschlag zwischen ihren Fingern. »Hier ist noch was drin«, sagte sie. »Ihr müsst es übersehen haben.«
    »Was?«, fragte Joern und war mit einem Mal wieder wach.
    Almut gab ihm den Umschlag. Sie hatte recht. Da war eine dunkle Spur an seinem Boden zu sehen, nicht mehr als ein Schatten. Joern drehte den Umschlag um und etwas rieselte daraus auf seine Hand wie Staub. Schwarzer Staub.
    »Kohlenstaub«, sagte Joern. »Kohlenstaub wie der Staub in der Schwarzen Stadt auf der anderen Seite des Finsterbachs.«
    Almut nickte. »Vielleicht ist es besser, Lasse vorerst nichts davon zu sagen«, flüsterte sie. »Er glaubt an so vieles. An das Gute. An die Märchen. Aber etwas stimmt nicht. Etwas stimmt von vorne bis hinten nicht hier im Norderwald.«
    Ich träumte vom Kjerk. Ich sah ihn nicht, denn es war dunkel um mich. Doch ich hörte seinen Atem und roch das Feuer in seiner Kehle. Wo war Joern? Hatte ich ihn im Gewirr der unterirdischen Gänge verloren? Ich wollte weglaufen, aber ich konnte die Füße nicht bewegen. Und da merkte ich, dass meine Beine sich in einen Stamm verwandelt hatten, den Stamm einer jungen Linde. Ich hatte dort in der Dunkelheit Wurzeln geschlagen.
    Plötzlich war der Atem des Kjerks ganz nahe und dann spürte ich seine raue Zunge auf meinem Gesicht. Ich öffnete den Mund zu einem Schrei – und wachte auf. Doch es war nicht der Kjerk, der mein Gesicht ableckte. Es war Flop.
    Ich setzte mich auf.
    Offenbar hatte ich nicht geschrien, denn die anderen schliefen noch fest. Almut hatte sich neben mir im Bett zusammengerollt wie eine Katze und Joern warf den Kopf im Schlaf hin und her. Vielleicht träumte er den gleichen Traum wie ich. War das möglich, dass echte Freunde die gleichen Träume träumten? Ich stieg vorsichtig über Almut.
    »Joern!«, flüsterte ich. »Joern, wach auf! Der Kjerk ist nicht wirklich da!«
    Joern blinzelte. Es dauerte eine Weile, bis er mich erkannte. »Lasse«, sagte er schließlich. »Es … es war nicht der Kjerk in meinem Traum. Es war der Große. Weißt du, der Mann, dem das Bergwerk gehört. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen. Er stand mit dem Rücken zu mir an einem Fenster, hoch oben über der Schwarzen Stadt. Unten in der Straße kämpften sie gegen irgendetwas Furchtbares. Der Asphalt war rot vor Blut. Es war schrecklich. Ich wusste, dass Onnar und Mama dort unten waren und Holm und überhaupt alle. Aber der Große konnte das Blut nicht sehen, denn die Scheibe des Fensters, aus dem er sah, war aus Nachtspat.«
    Er streichelte Flop und schüttelte den Kopf.
    »Denk nicht mehr daran«, sagte ich. »Du musst die Schwarze Stadt nie wieder sehen. Lass uns lieber im Keller nachgucken, ob wir Flints alten Bogen finden, bevor ich zur Schule muss.«
    Wir schlüpften in unsere Kleider und liefen die Treppe hinunter. Aus der Küche drang bereits der Duft nach Kaffee, gebratenem Speck und

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