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Jenseits der Finsterbach-Brücke

Jenseits der Finsterbach-Brücke

Titel: Jenseits der Finsterbach-Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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ein Ritter mit Rüstung wie aus dem Bilderbuch, und …«
    »Irgendwer hat mir von dem schon erzählt!«, sagte Tom stolz.
    »Aber heute«, meinte Almut, »bevor dein Bilderbuchritter kommt, Lasse, müssen wir etwas tun! Sonst wird der Stall brennen und der ganze Norderhof wird brennen und von deinem Westwind bleibt nichts übrig als schwarzer Staub!«
    »Kohlenstaub«, murmelte Joern.
    Der Kjerk stand jetzt direkt vor dem Stall. Eine weitere helle Wolke aus tödlichem Feuer wirbelte durch die Luft.
    »Der Bogen!«, sagte ich. »Wo ist der Bogen?«
    »Hier«, antwortete Almut und nahm ihn von der Lehne meines Schreibtischstuhls. Doch sie gab ihn mir nicht, sie spannte ihn selbst. »Wo hast du die Pfeile?«
    Ich sah mich um. Ich musste den Köcher unten an der Garderobe gelassen haben.
    Joern ging zu meinem Schreibtisch und fischte einen gespitzten blauen Buntstift aus dem Durcheinander dort. Den gab er Almut. Sie legte ihn an und ich wollte ihr sagen, dass das nicht ging. Aber dazu blieb keine Zeit. Die gefiederte Brust des Kjerks berührte beinahe die Stallwand. Er legte den Kopf in den Nacken … Ich riss das Fenster auf und die kalte Nachtluft strömte herein. Gleichzeitig ließ Almut die Bogensehne los.
    Nie ist ein Bleistift schneller durch die Nacht geflogen.
    Er traf den Kjerk am Hals und der Kjerk fauchte und taumelte. Er fing sich wieder und Almut schickte ihm einen zweiten und dritten Stift hinterher. Es war ein Anblick, denich nie vergessen werde: Der Kjerk floh vor dem Stiftehagel, floh vom Hof, taumelte an Frentjes Haus vorbei mitten durch Olafs Salatbeete und verschwand im Schatten des Waldes.
    Almut ließ sich keuchend auf den Stuhl fallen. Im Sternenlicht glitzerten die versilberten Enden an dem Bogen in ihren Händen.
    »Du weißt es vermutlich nicht«, sagte ich feierlich, »aber dies ist der Bogen meiner Mutter. Wir haben ihn im Keller gefunden. Er hat uns gerettet.« Und ich dachte daran, wie ich mit der Linde gesprochen hatte. Vielleicht hatte sie mich wirklich warnen wollen.
    Almut schnaubte. »Wir haben uns schön selbst gerettet!«, sagte sie verächtlich. »Statt hier nur ihre alten Sachen rumliegen zu lassen, sollte deine Mutter mal lieber selbst auftauchen, um uns zu helfen.«
    »Du weißt genau, dass sie im Wald unter der Erde liegt!«, zischte ich ärgerlich.
    »So?«, schnappte Almut und pustete gereizt ihre Haare beiseite, die schon wieder im Weg waren. »Weiß ich das?«
    Joern schloss das Fenster. »Hört auf zu streiten«, sagte er. »Ich hasse es, wenn Leute streiten, die ich mag. Lasse? Was du auf jeden Fall in nächster Zeit tun solltest, ist, deinen Vorrat an Buntstiften zu erneuern. Es gibt jetzt nur noch Rosa und Lila. Alle anderen Farben hat Almut auf den Kjerk geschossen.«
    Da lachte Almut und ich lachte auch und wir verschoben den Streit auf ein andermal.
    Wir legten uns wieder in unsere Betten, aber wir konnten nicht mehr einschlafen.
    »Kommt morgen echt ein echter Ritter?«, fragte Tom ungefähr fünfundzwanzigmal. »In echt?«
    »Ich hoffe, dass er kommt«, antwortete ich ehrlich. »Er wird den Hof des Herrschers nie betreten und doch wird er da sein. Er wird die Haustür nie öffnen und doch wird er eintreten …«
    Im Zimmer hing noch lange der Geruch nach dem Feuer, das der Kjerk gespuckt hatte. Ich fragte mich wieder, an was der Geruch mich erinnerte. Doch ich kam nicht darauf und schließlich schlief ich ein.

Wenn du diese Tür öffnest, kannst du sie nie wieder schließen
    A m nächsten Tag verging die Zeit nur schleppend. Es war Samstag und Herr Marksen holte Unterricht nach. Ich sah zu, wie die Stunden sich über die Uhr im Klassenzimmer quälten, und auch Almut konnte nicht still sitzen. Joern lief mit Flop irgendwo in der Nähe des Hofes herum, wo er hoffentlich keinem Kjerk begegnete.
    Als Herr Marksen uns endlich zum Essen schickte, war ich ganz nass geschwitzt vor Ungeduld.
    »Lasse«, sagte Frentje streng und musterte mich. »Hast du Fieber? Muss ich dich ins Bett packen und über dich wachen wie über unseren guten Hütehund?«
    Tök lag auf einer Decke in der Ecke, weil Doktor Bartens gesagt hatte, Frentje müsste aufpassen, damit er die Wunde nicht aufkratzte. Er wedelte matt mit dem Schwanz, als er mich sah, und seine alten Augen blickten erschöpft.
    »Nein, nein«, sagte ich schnell zu Frentje. »Mir geht’s prima.«
    Das fehlte noch, dass sie mich ins Bett steckte und mich bewachte, wo ich doch um Punkt zwei Uhr dem Weißen Ritter eine gewisse

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