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Jenseits der Finsterbach-Brücke

Jenseits der Finsterbach-Brücke

Titel: Jenseits der Finsterbach-Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Pistole, aber der Weiße Ritter zögerte einen Moment zu lang. Flint schlug ihm die Waffe aus der Hand und Joerns zweiter Pfeil landete in der Wand neben der Tür.
    Der Weiße Ritter sah sich um, sah von Flint zu den Pfeilen und zurück, riss die Tür auf und floh. Flint blickte zum Fenster hinüber, als erwartete er einen Hagel aus weiteren Pfeilen. Aber es waren keine Pfeile mehr da und überhaupt wollte Joern ja auch nicht Flint treffen.
    Er stieß das Fenster ganz auf.
    »Joern!«, rief Flint. »Was …?«
    Joern wollte sagen: »Wir müssen ihm hinterher«, und: »Das ist der Weiße Ritter, aber er ist vielleicht kein Ritter«, und hundert andere Dinge, doch er bekam nichts von alldem heraus. Stattdessen kletterte er durch das Fenster herein und sackte auf dem Boden zusammen wie ein Stück Stoff.
    Flint kniete sich neben ihn. »Was ist passiert?«, fragte er. »Woher wusstest du …? Wo ist Lasse?«
    »Im Keller«, flüsterte Joern. »Und Almut auch und Tom.«
    »Komm«, sagte Flint und zog ihn auf die Beine. UndJoern dachte, er könnte nicht rennen, doch dann konnte er doch. Gemeinsam hetzten sie die Wendeltreppe hinunter zum Keller.
    Der Schlüssel zur Kellertür lag mitten im Flur, der Weiße Ritter hatte ihn einfach fortgeworfen. Lasse und Almut sahen ziemlich blass aus, als Joern und Flint sie befreiten, und Tom heulte hemmungslos und schrie nach seiner Mutter. Frentje rannte aber sowieso schon über den Hof, mit beiden Armen winkend.
    »Hier war eben ein Fremder!«, rief sie schon von Weitem. »Er ist auf einem schwarzen Pferd weggeritten! Ich habe ihn gar nicht kommen sehen, aber er ist die Straße entlanggaloppiert, als wären die wilden Heerscharen ihm auf den Fersen!«
    Doktor Bartens, Johann, Olaf und Herr Marksen kamen jetzt auch angelaufen und alle redeten durcheinander. Flint meinte, man müsse dem Fremden nach, und Doktor Bartens meinte, ein Pferd ließe sich mit seinem Auto allemal einholen, aber kurz darauf stellte er fest, dass zwei seiner Reifen zerstochen waren. Bei dem Wagen, den Flint und Johann benutzten, war es nicht anders. Der Weiße Ritter hatte gründliche Arbeit geleistet.
    Da rannte Flint zum Stall hinüber, um seinen schwarzen Hengst Nordwind zu holen, das schnellste Pferd im ganzen Wald. Auf Nordwind würde er den Fremden mühelos einholen, egal wie viel Vorsprung er hatte. Doch als Flint aus dem Stall kam, führte er Westwind am Zügel.
    »Auf dem schnellsten Pferd vom Norderwald kann ichden Fremden nicht einholen«, sagte er bitter. »Denn das schnellste Pferd vom Norderwald, das reitet er selbst.«
    Frentje schlug ihre Hände vors Gesicht und rief: »Und ich habe Nordwind mit dem anderen Mann auf dem Rücken nicht erkannt! Wie soll man das auch ahnen …« Sie brach ab, denn Westwind und Südwind rasten bereits im Galopp die lange, gerade Straße entlang, mit Johann und Flint auf ihren Rücken. Johann hatte sein Gewehr geschultert. Diesmal jedoch ging er nicht auf die Jagd nach einem Kjerk.

Gefangen in einem Märchen
    A n diesem Nachmittag heulte der Wind um den Norderhof, als wäre plötzlich der Herbst gekommen. Wir saßen in der großen Küche des Gutshauses und warteten darauf, dass Flint und Johann zurückkehrten. Olaf hatte die Tür im Keller verriegelt. Denn man wusste nie, sagte er, was da noch alles hereinkam. Frentje hatte Tee für alle gekocht. Selbst Herr Marksen saß bei uns, zusammen mit seiner Frau und ihrem Baby Elly. Frentje und Frau Marksen strickten und Herr Marksen und Doktor Bartens unterhielten sich darüber, wie sie die Reifen der beiden Autos am besten flicken konnten, und das Baby Elly redete mit sich selbst. Aus unserem Plattenspieler tönte freundliche alte Musik, doch den Wind hörten wir trotzdem und jedes Mal, wenn er im Kamin heulte, zuckten wir alle zusammen. Keiner wollte alleine sein an einem Nachmittag, an dem im Turm des Norderhofs auf einen Menschen geschossen worden war.
    Auf meinen Vater.
    Ich trank meinen Tee und stellte mir vor, wie mein Vater und mein Pferd durch den Wald jagten, auf den Spuren eines Mörders. Würden sie ihn einholen? Und wenn sie ihn einholten, was würde geschehen?
    »Joern«, flüsterte ich, »ich habe Angst. Und ich begreife noch immer gar nichts. Wer ist der Weiße Ritter?«
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte Joern. »Ich weiß nur, was in dem Brief stand. Er zieht durch die Wälder, bei Tag und bei Nacht. Er kommt, wenn keiner ihn sieht, und geht, wohin niemand ihm folgen kann. Er bleibt nicht und kehrt nicht

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