Jenseits der Finsternis
abend oder in der frühen Nacht geschehen sein.
»Ich tippe auf 0 Uhr abends«, sagte Dr. Sabatte, als er sich aufrichtete.
»Das sieht doch aus, als wenn es ein Geisteskranker getan hätte«, stammelte die Krankenschwester.
»Oder ein Fanatiker!« Sabatte deutete zu den Betten hinüber, und erst jetzt sah die Krankenschwester, was dort geschehen war.
»Nein!« schrie sie und immer wieder: »Nein … Nein … Nein!«
»Ich bleibe bei meiner Meinung: Ich tippe weiterhin auf Fanatiker!«
Sie gingen vorsichtig zu den Betten hinüber, und dort bot sich ihnen der gleiche Anblick wie bei Denise Zézalon.
Die Deckbetten waren zurückgeschlagen, eins lag sogar auf der Erde, und die Tote, die 72jährige Madelaine Canniste, hatte einen Zipfel in der Hand, als hätte sie noch im letzten Augenblick versucht, sich zu wehren.
Bei allen waren die Nachthemden über der linken Brust zerrissen, und auch hier zeigten sich die gleichen klaffenden Wunden, aus denen das Blut geflossen war.
»Mir kommt ein schrecklicher Gedanke«, stammelte Dr. Sabatte, denn diesmal hatte er seine Stimme nur sehr schlecht in der Gewalt, »dies ist gar nicht um unsere armen Würstchen gegangen, Elaine. Die waren nur im Wege, es ging um nichts anderes als um Professor Labonnes Azzocottalyt-Herzen.«
Weiteres konnte man im Augenblick nicht feststellen, da Dr. Sabatte das Zimmer bis zum Eintreffen der Kriminalpolizei verschlossen hielt, damit wichtige Spuren nicht von Neugierigen zerstört werden konnten.
Die Mordkommission, die nach einer Stunde und 25 Minuten eintraf – es war ja noch früh am Morgen –, stellte dann fest, daß allen Opfern die Kunstherzen aus der Brust gerissen waren und ihr Tod durch Verbluten eingetreten sei.
Aber über den Hergang des Verbrechens ließ sich zunächst überhaupt nichts feststellen. Ein Eindringen der Täter von außen war praktisch unmöglich. Sämtliche Fenster in allen Etagen waren geschlossen, keines war eingeschlagen. Das Hauptportal, das in der Zeit von 23 bis 5 Uhr verschlossen wurde, war in der ganzen Zeit, wie der Nachtpförtner versicherte, nicht geöffnet worden.
Später wurde ermittelt, daß der Tod in der Zeit zwischen 22 Uhr und 22 Uhr 30 eingetreten sein mußte. Das bedeutete, der Täter mußte sich durch das Hauptportal eingeschlichen und das Krankenhaus nach 5 Uhr früh verlassen haben.
Sicherheitshalber wurde aber das ganze Krankenhaus noch einmal gründlich durchsucht. Nicht nur die Räume, auch die Ärzte, die Schwestern, die Pfleger, die Patienten wurden überprüft, aber ohne das geringste Ergebnis.
Völlig ungeklärt blieb zunächst auch, wie die Morde vonstatten gegangen sein könnten. Es ist nämlich nicht ganz leicht, bis zu dem eingesetzten Kunstherz vorzudringen, obwohl die Rippen an der linken Brustseite kupiert sind. Aber das Kunstherz sitzt verhältnismäßig tief und ist zudem durch ein Silikonpolster von außen geschützt. Dieses Polster wurde notwendig, weil – wie bereits erwähnt – das eingesetzte Herz kleiner ist als das entfernte. Außerdem sitzt das Polster notgedrungen sehr fest, und zwar an einem genau berechneten Platz, damit keine Funktionen des Körpers beeinflußt werden können. Jedes Verrutschen, sei es noch so geringfügig, mußte ausgeschlossen werden.
Für die Durchführung der Tat stand wenig Zeit zur Verfügung, und das machte es eigentlich unverständlich, wie die fünf Morde passieren konnten. Ein sachgerechtes Entfernen eines einzigen Polsters und Herzens würde wenigstens 40 Minuten dauern.
Mit der Obduktion wurde noch am Tage der Einlieferung begonnen, und als erstes wurde dabei festgestellt, daß für den Eingriff offensichtlich eine handliche Säge benutzt worden war. Sie mußte handlich und klein gewesen sein, weil sonst größere Beschädigungen an den Körpern vorgekommen wären. Es ist aber praktisch nur in einem Umkreis, der mit der Größe des Objekts übereinstimmte, gearbeitet worden.
Dies verrät auch, daß die Tat mit Vorbedacht, will sagen, mit sorgfältiger Planung begangen wurde; allein das Vorhandensein der kleinen Säge beweist es.
Feststellungen dieser Art engten den Kreis der eventuellen Täter nicht unwesentlich ein. Man kann sich kaum vorstellen, diese Tat wäre von einem Laien auf dem Gebiet der medizinischen Operationstechnik vorgenommen worden. Die Verwüstungen in den Körpern, so schrecklich sie auf einen Laien wirken müssen, sind kaum größer, als zur Erreichung des gesteckten Zieles notwendig war. Die beiden
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