Jenseits Der Grenze
Minuten. Die Wachhabenden auf der Brücke versuchten, sich alle so zu verhalten, als würden sie routinemäßig ihre Arbeit erledigen. Aber Geary entging nicht, dass die Blicke immer wieder zu einem bestimmten Punkt auf dem jeweiligen Display wanderten – jenem Punkt, an dem das Hypernet-Portal angezeigt wurde.
Eine weitere Aktion war notwendig, auch wenn die jedem Instinkt widersprach, der nichts anderes wollte, als mit Höchstgeschwindigkeit auf den Sprungpunkt zuzufliegen. Aber ein Schiff, das zu schnell flog, konnte nicht in den Sprungraum überwechseln. »Alle Schiffe bei Zeit fünf null um eins acht null Grad drehen und auf 0,1 Licht abbremsen.« Ab dem Moment würde die Flotte langsamer werden, und damit verlängerte sich der Zeitraum, in dem sie schutzlos war. Allerdings gab es nichts, was man dagegen hätte unternehmen können.
Eine Minute.
Desjani gähnte. »Es wäre schön, mal irgendwo hinzukommen, wo es für uns was zu tun gibt, nicht wahr, Lieutenant Yuon?«
Yuon musste schlucken, ehe er mit halbwegs fester Stimme antwortete: »Ja, Captain.«
»Wie geht es Ihrer Familie auf Kosatka?«, fragte sie weiter.
»Gut, Ma’am. Alle wollten die ganze Zeit nur über … Sie wissen schon was reden.«
Geary sah zu Yuon und versuchte, Desjanis Plauderton zu treffen. »Ich hoffe, Sie haben Gutes über mich berichtet, Lieutenant.«
»Ähm … natürlich, Sir.«
»Eintritt in die kritische Phase«, meldete der Steuerwachhabende.
Desjani zog einen Verpflegungsriegel aus der Tasche. »Hunger?«, fragte sie Geary.
»Ich habe schon gegessen. Ist das ein Yanika Babiya?«
»Nein, das ist …« Sie schaute auf das Etikett. »Hühnchencurry, extra gewürzt.«
»Ein Hühnchencurryriegel? Wie schmeckt der?«
Desjani biss ein kleines Stück ab und begann zu kauen, wobei sie so tat, als würde sie nichts davon merken, dass alle auf sie schauten, aber nicht auf die Darstellung des Hypernet-Portals der Aliens. »Da ist auf jeden Fall Curry drin. Extra gewürzt würde ich nicht sagen. Ein Teil von dem Rest schmeckt wie Hühnchen.«
»Das hat nicht viel zu sagen«, meinte Geary.
»Jedes Fleisch in einem Verpflegungsriegel schmeckt wie Hühnchen«, warf Lieutenant Castries ein. »Außer Hühnchen.«
»Stimmt, Lieutenant«, gab Desjani zurück. »Echtes Hühnchen schmeckt wie … was? Hammel?«
»Schinken«, sagte Yuon. »Schlechter Schinken.«
»Dann kann das hier kein Hühnchen sein, weil es dann nicht nach Hühnchen schmecken dürfte«, folgerte sie.
»Fünfzehn Minuten bis zum Sprung«, meldete der Steuerwachhabende.
Geary überprüfte das Bremsmanöver seiner Schiffe und stellte fest, dass die gesamte Flotte im richtigen Maß abbremste, um beim Erreichen des Sprungpunkts mit 0,1 Licht zu fliegen.
»Was glauben Sie, wie die Aliens schmecken?«, fragte Desjani.
»Wir können sie nicht essen, sie sind intelligent«, wandte Geary ein.
»In Notsituationen essen Menschen manchmal sogar andere Menschen«, machte sie klar. »Zum Beispiel wenn man sich auf einem Schiffswrack befindet und keine Lebensmittelvorräte mehr vorhanden sind. Das ist bei der Marine fast schon so etwas wie eine Tradition.«
»Davon habe ich gehört«, sagte Geary. »Werden nicht zuerst die Junioroffiziere mit dem niedrigsten Dienstalter verspeist?«
»Soweit ich weiß ja.« Desjani musterte ihre Wachhabenden. »Nur damit wir das frühzeitig festlegen können: Wer von Ihnen wurde als Letzter befördert?«
Die Lieutenants sahen sich und grinsten dann. »Genau genommen, Captain«, antwortete Castries, »wurden Yuon und ich am gleichen Tag befördert.«
»Hm, wir können Sie aber nicht beide gleichzeitig essen. Ich nehme an, Sie hätten etwas gegen die alphabetische Reihenfolge einzuwenden, oder, Lieutenant Castries?«
»Nicht, wenn wir nach den Vornamen vorgehen, Captain«, gab Castries zurück. »Meiner lautet Xenia.«
»Das wird schwer zu überbieten sein, nicht wahr, Lieutenant Bhasan Yuon?«
Yuon schüttelte den Kopf. »Ich glaube aber, dass Lieutenant Castries die bessere Mahlzeit ergibt, Captain. Ich werde zu zäh und zu sehnig sein.«
»Fünf Minuten bis zum Sprung«, rief der Steuerwachhabende dazwischen.
»Vielleicht sollten Sie beide eine Münze werfen«, schlug Desjani vor, hob dann aber den Finger und machte eine Miene, als sei ihr ein genialer Einfall gekommen. »Ich weiß was. Ich teile diesem Team einfach einen Ensign zu.«
»Einen Notfallrations-Ensign?«, hakte Geary nach.
»Wir müssen das ja nicht in der
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