Jenseits Der Grenze
Besatzungen erhalten weiter ihren Sold, aber Wartung und Reparaturen werden scheibchenweise erledigt, widerstrebend und gemächlich, und es wird kein neues Personal entsendet, um die Besatzungsstärke beizubehalten.«
Es dauerte ein paar Sekunden, ehe er verstand. »Dann lässt man diese Schiffe einfach allmählich verkümmern? Bis sie in einem Gefecht zerstört werden oder bis sie der Reparatur oder Instandhaltung nicht mehr wert sind? Dann werden die Überreste der Besatzungen nach Hause geschickt, die inzwischen so dezimiert worden sind, dass sie für niemanden mehr eine Gefahr darstellen?«
Diesmal antwortete Rione überhaupt nicht.
»Was ist mit den Schiffen der Rift-Föderation?«, wollte er wissen.
»Ich komme aus der Callas-Republik …«
»Ich habe Sie nicht gefragt, woher Sie kommen. Wissen Sie etwas darüber, was deren Regierung vorhat?«
Nun loderte in ihren Augen Wut auf. »Aus recht zuverlässigen Berichten weiß ich, dass die Rift-Föderation dem Beispiel der Callas-Republik folgen wird, zumal sie nur noch wenige Schiffe in der Flotte hat.«
»Verflucht.« Mehr schien es nicht zu geben, was er dazu sagen konnte. Geary bemerkte einen Schmerz in einer Hand und stellte fest, er hatte die Faust vor Wut so fest geballt, dass er sich selbst damit wehtat. »Wie wollen diese beiden Regierungen ihren eigenen Leuten erklären, dass die Besatzungen der Schiffe nicht zu ihnen zurückkehren werden?«
»Sie dürfen nicht vergessen, Admiral«, wandte sie ein, »dass so viele Schiffe gar nicht mehr übrig sind. Bevor Sie das Kommando übernahmen, hatten wir bereits einen Großteil beider Kontingente verloren. Weitere Schiffe wurden bei den anschließenden Kämpfen zerstört. Es geht nicht mehr darum, eine gewaltige Zahl an Besatzungsmitgliedern nach Hause zurückkehren zu lassen, sondern nur noch die Überlebenden. Gemessen an den Bevölkerungszahlen dieser Völker stellen die Überlebenden nur einen winzigen Bruchteil dar.«
Seine Wut schien verraucht zu sein, zurückgeblieben war eine dumpfe Hitze, die keine Wärme ausstrahlte. »So wie die Allianz-Flotte vor dem Krieg. Kaum jemand war zu der Zeit mit einem Angehörigen des Militärs verwandt.«
»Richtig, und damit wird auch die Logik klar. Diese beiden Regierungen wollen die von ihren Kriegsschiffen und den Besatzungen ausgehende Bedrohung so weit entfernt wie möglich wissen. Beklagen werden sich darüber nur wenige, weil auch nur wenige sich daran stören können, dass diese Männer und Frauen noch immer nicht nach Hause zurückkehren. Gleichzeitig kann man sich weiter damit brüsten, dass die Regierung auch künftig den großen Helden Black Jack unterstützt.«
»Ich werde nach wie vor benutzt«, stellte Geary fest.
»Ja, das werden Sie. Was werden Sie dagegen unternehmen?«
»Ich könnte den Dienst quittieren …«
Wieder kochten ihre Emotionen hoch. »Wer sonst sollte denn in der Lage sein, diese Leute am Leben zu erhalten, Admiral? Geben Sie auf, dann übernimmt irgendein Idiot wie Admiral Otropa Ihren Platz. Wollen Sie, dass sie alle sterben müssen?«
»Das ist einfach nur unfair!«
»Glauben Sie immer noch daran, irgendetwas könnte fair sein?«, fragte sie.
»So seltsam das auch sein mag, aber genau das tue ich.« Dennoch hatte Rione etwas Wahres gesagt. Diese Soldaten werden von ihren eigenen Leuten verstoßen, jemand muss sich um sie kümmern. Solange ich niemanden gefunden habe, der das kann, werde ich dieser Jemand sein müssen. »Ich werde meine Arbeit nach Kräften erledigen.«
»Sie werden also weiterhin Ihre Befehle befolgen?« Riones Stimme klang sanfter, zugleich aber auch eindringlicher.
»Ja.« Geary bleckte die Zähne. »Und zwar so, wie ich diese Befehle auslege. Das bedeutet, dass ich für die Leute unter meinem Kommando alles tun werde, was in meiner Macht steht.«
»Und die Aliens?«
»Sie haben Ihre Anweisungen, ich habe meine. Meine Befehle beschränken sich nicht darauf, kurzfristige Gefahren und Bedrohungen auszuräumen. Ich soll das Ganze auf eine Art und Weise lösen, die langfristig funktioniert. Wenn die Regierung oder einer ihrer Gesandten damit ein Problem hat, dann sollen sie sich einen anderen suchen, den sie zu ihrem Hampelmann machen können.«
Rione begann, schwach zu lächeln, was jedoch nichts daran änderte, dass sie immer noch müde und irgendwie viel älter wirkte. »Jeder unterschätzt Sie. Nur ich nicht.«
»Und Tanya.«
»Ja, aber sie betet Sie auch noch an, was ich nicht machen werde.«
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