Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Jenseits Der Schatten

Titel: Jenseits Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
Vom Netzwerk:
den warmen Boden berührten, erblühte in der Zimmerdecke ein fahles Licht. Vi bemerkte es kaum. Sie zog das wenig schmeichelhafte Novizinnenkleid über und ging zur Tür hinaus. Ihr Bauch fühlte sich verkrampft und wund an. Als sie in den Flur trat, erblühte Licht wie ein Stern an der Wand. Dann erschien um den Stern, als zöge eine unsichtbare Hand große, kühne Linien, ein Spinnennetz, das im Geweih eines Elchs aufgespannt war. Das Tier betrachtete Vi müde, leistete ihr jedoch Gesellschaft, und der Stern erfüllte ihren Teil des Flurs mit warmem Licht.
    Vi berührte das Tier. Das Licht blieb, aber alles andere verblasste. Das Netz um den Stern herum machte einer alten, eisernen
Laterne Platz. Der Elch verschwand, und an seine Stelle trat ein bärtiger, väterlicher Waldarbeiter. Er nickte Vi zu und hob die Lampe hoch. Sie berührte die Gestalt, und sie verblasste, um einem grinsenden Hund zu weichen, der den Stern auf der Nase balancierte. Sie ging weiter, und der Hund lief neben ihr her. Es war erstaunlich. Dieses ganze Stockwerk war dazu geschaffen, Kindern einen sicheren Ort zu bieten.
    In jähem Zorn ließ sie die Faust gegen die Wand krachen. Der Hund verblasste, und ein Narr ersetzte ihn. Vi unterdrückte ein Schluchzen und eilte zu der Treppe in der Mitte des Gebäudes. Als sie vor Schwester Ariels Zimmer stand, schwang die Tür auf, bevor Vi angeklopft hatte. »Komm herein«, sagte Schwester Ariel. Sie reichte Vi eine dampfende Tasse Ootai. Ihre Augen wirkten trüb.
    Vi war sprachlos. Sie trat ein und ergriff mit der linken Hand die Tasse.
    »Setz dich«, befahl Schwester Ariel. Ihr Zimmer war nicht groß, und fast alles war bedeckt mit Stapeln von Büchern und Schriftrollen. Zwei Stühle standen im Raum.
    Vi setzte sich.
    »Gib gut acht und halt still«, sagte Schwester Ariel. Sie ergriff Vis geschwollene Hand und schnalzte mit der Zunge. »Savaltus.« Schmerz schoss durch Vis Hand, dann wurde er schwächer, und ihre blauen Flecken verblassten. »Du hast die unglückliche Angewohnheit, Dinge zu schlagen, die härter sind als deine Faust. Wenn sich deine notorische Renitenz das nächste Mal in Selbstverstümmelung manifestiert, werde ich dich nicht heilen.«
    Vi hatte keine Ahnung, was die Worte bedeuteten, aber sie verstand ungefähr, was gemeint war. »Ich will, dass Ihr dafür sorgt, dass es aufhört«, erklärte Vi.
    »Wie bitte?«

    »Ihr habt mich mit einer List dazu gebracht, Kylar zu beringen. Ich will dieses verdammte Ding loswerden.«
    Schwester Ariel neigte wie ein Hund den Kopf auf die Seite. Ihre Augen glänzten. »Du hattest wohl einen impressiven Traum, hm?«
    »Scheiße! Hört auf, Worte zu benutzen, die ich nicht verstehe!«
    Etwas schlug Vi so heftig auf den Hintern, dass sie aufschrie. »Die Zunge ist eine Flamme, Kind«, bemerkte Schwester Ariel mit kalten Augen. »Wir, die sprechen, um Magie zu benutzen, lernen, sie zu kontrollieren, anderenfalls verbrennt sie uns. Weißt du, was ich getan habe, während du heute gelernt hast?«
    »Das ist mir scheißegal.«
    Schwester Ariel schüttelte den Kopf. »Ich habe keine moralischen Einwände gegen deine Flüche, du fäkalsprachlicher Kretin. Wenn ein Gossenschiss flucht, hört die Welt es nicht einmal, Vi. Wenn eine Maja flucht, erzittert die Welt. Also habe ich mir einige Strafen ausgedacht. Wir sind jetzt verbunden. Dein Trotz macht den Weg nur länger. Sa troca excepio dazii. «
    Obwohl sie flüchtig die Aura von Magie gesehen hatte, die Schwester Ariel umgab, spürte Vi nichts. »Was habt Ihr getan?«, fragte sie mit schmalen Augen.
    »Das, meine Liebe, ist die Hälfte des Spaßes. Bei jeder neuen Strafe darfst du raten. Nun, du bist gekommen, weil du einen besonders lebhaften Traum hattest, ist das nicht richtig?«
    Vi starrte auf den Grund ihrer Tasse. Warum war sie plötzlich zimperlich bei dem Gedanken, über Sex zu sprechen? »Er war es. Er ist in mein Bett gekommen. Es war real.«
    »Und?«
    Vi blickte auf. »Was meint Ihr mit ›und‹?«
    »Du hast davon geträumt, einen Mann in deinem Bett zu haben. Was soll’s? Hast du Angst, dass du schwanger wirst?«

    Wieder richtete Vi den Blick auf den Ootai. »Wir haben nicht, ähm, nicht wirklich … Ihr wisst schon.«
    »Warum bist du dann hier?«
    »Liegt es an den Ohrringen?«
    »Du meinst, dein Traum? Eindeutig. Sie erlauben Ehemännern und Ehefrauen, die nicht zusammen sein können, trotzdem, miteinander in Verbindung zu bleiben. Oder Beischlaf zu halten. Übrigens sind selbst

Weitere Kostenlose Bücher