Jenseits Der Schatten
fressen?
~Schwer zu sagen.~ Der Ka’kari schien zu feixen.
»Ah, der Herr? Haben der Herr sich verirrt?« Der wohlgelaunte Diener wartete nicht auf eine Antwort. »Der Herr mögen mir folgen.« Er drehte sich um und setzte sich in Bewegung, und Kylar blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Einige Diener, dachte er, waren klüger, als ihnen selbst guttat.
Der Diener führte ihn zum Haupteingang und übergab ihn der Obhut des Haushofmeisters, eines freudlosen Mannes, der ihn von oben bis unten musterte und dabei den Kopf schräg legte wie ein Vogel. »Ihr seid zu spät, Marquess, Ihr hättet nach Eurem Fürsten eintreten sollen.«
Kylar schluckte. »Es tut mir leid, Ihr verwechselt mich. Ich bin Baronet Stern. Ihr müsst mich nicht ankündigen -«
Der Haushofmeister überprüfte noch einmal seine Liste. »Herzog Gyre hat mich ausdrücklich darüber in Kenntnis gesetzt, dass
ich Euch ankündigen soll.« Prompt drehte er sich um und schlug mit seinem Stab auf den Boden. »Marquess Kylar Drake, Lord von Havermere, Lockley, Vennas und Procin.«
Kylar trat in dem Gefühl, keine Kontrolle über seinen eigenen Körper zu haben, vor. Blicke wandten sich ihm zu, und mehr als einmal hörte er das Wort »Wolfshund«. Logan hatte Kylar nicht nur legitimiert, indem er ihm einen realen Titel gab, anders als es der Baronet von Ländereien in lae’knaughtischem Besitz gewesen war, er hatte ihn auf schwindelerregende Höhen gehoben. Ein Marquess stand im Rang lediglich unter den Herzögen Cenarias. Kylar schnürte sich die Brust zusammen. Es war ein realer Titel, mit realen Ländern und realer Verantwortung. Schlimmer noch, Logan musste bei Graf Drake darauf hingewirkt haben, Kylar offiziell zu adoptieren. Kylars falscher Stammbaum war reingewaschen worden. Logan stellte seine eigene Integrität hinter Kylar. Es war sein letzter Versuch, Kylar vor sich selbst zu retten.
Kylar nahm seinen Platz links von Logan in der ersten Reihe ein. Logan lächelte, und der Bastard hatte eine solche Ausstrahlung, dass Kylar unwillkürlich mit ihm lächelte, zu erstaunt, um verärgert zu sein.
»Nun, nun, mein Freund«, sagte Logan. »Ich habe halb erwartet, dass du oben in den Dachsparren umherschleichen würdest. Ich bin ja so froh, dass du dich zu uns Sterblichen auf den Boden gesellt hast.«
»Ähm, Dachsparren, klar. Das wäre zu übertrieben.« Kylar räusperte sich verblüfft. »Was soll das alles?«
Logan, der immer noch nach vorn schaute, erwiderte: »Ich werde meinen besten Freund nicht kampflos aufgeben.«
Schweigen. »Du erweist mir eine große Ehre«, bemerkte Kylar.
»Ja, das tue ich.« Logan lächelte, offenkundig stolz auf sich selbst.
»Hat Momma K …?«
»Ich habe mir das ganz allein zusammengereimt, vielen Dank, obwohl Graf Drake noch eins dazugegeben hat.«
»Die Adoption?«
»Die Adoption«, bekräftigte Logan. »Sechs Reihen weiter hinten. Auf der linken Seite.«
Kylar schaute hinüber, und das Blut wich ihm aus den Adern. Dort, wo die ärmeren Barone untergebracht waren, standen unter dem Banner der Sterns ein blonder Lord in mittleren Jahren und eine Dame, die noch bescheidener gekleidet waren als die meisten. Neben ihnen stand ein junger Mann, so dunkelhaarig, wie sie blond waren: ihr Sohn, Baronet Stern.
»Das hätte … peinlich werden können«, sagte Kylar.
»Wir alle brauchen Freunde, Kylar«, erwiderte Logan. »Ich von allen am dringendsten. Ich habe fast jeden verloren, dem ich trauen kann. Ich brauche dich.«
Kylar schwieg. Zum ersten Mal bemerkte er Logans Kleidung. Der Herzog trug eine dunkle Robe und vornehm geschnittene Hosen, die jedoch ebenfalls tiefschwarz waren. Es war Trauerkleidung. Logan trauerte noch immer um Jenine, um seine ganze Familie, um viele seiner Gefolgsleute und vielleicht auch um Serah Drake. Wieder stieg in Kylar die alte Übelkeit auf. Logan und Graf Drake setzten beide für ihn ihre Ehre aufs Spiel, was für sie beide ihr heiligster Besitz war. Terah Graesins Ermordung wäre jetzt mehr als ein tragischer Meinungsunterschied. Für Logan wäre es Verrat.
Er konnte nichts tun. Marquess Kylar Drake stand in der vordersten Reihe und wurde ständig beobachtet. Vielleicht konnte sich der Nachtengel unsichtbar von den Dachsparren schwingen und die tödliche Krone ergreifen, aber Marquess Drake konnte nur mit ansehen, wie sich die Konsequenzen seiner Entscheidungen
entwickelten. Kylar stand da, während Terah Graesin angekündigt wurde, während sie königlich nach vorn
Weitere Kostenlose Bücher