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Jenseits Der Schatten

Titel: Jenseits Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Sekunde lang.
    Er liebte so vieles an Khalidor: die Musik, die Tänze, die Gastfreundschaft der armen Bevölkerung, die Männer, die ohne Hemmungen lachten oder weinten, wie ihnen gerade zumute war, und die Frauen, die über ihre Toten weinten, heulten und jammerten, wo die Südländer nur schweigend dastanden, als sei ihnen der Verstorbene gleichgültig gewesen. Dorian liebte ihre Kunst, die Färberwaidtätowierungen der Tieflandstämme, die Mädchen mit den schönen blauen Augen, der milchweißen Haut und dem wilden Temperament. Er liebte hundert Dinge an seinem Volk, aber manchmal fragte er sich, ob die Welt nicht ein besserer Ort wäre, wenn das Meer das Land Khalidor überfluten und sie alle ertränken würde.

    Wie viele dieser blauäugigen Mädchen hatten ihren wimmernden, erstgeborenen Sohn als Opfer für reichen Viehbestand auf einem Feuer Khalis verbrannt? Wie viele dieser ausdrucksstarken Männer hatten ihre betagten Väter in Särgen aus Korbgeflecht ins Moor geworfen und sie langsam versinken sehen, als Opfer für reiche Ernten? Sie weinten, während sie mordeten - aber sie mordeten. Um der Ehre willen erwartete man von einer Frau nach dem Tod ihres Mannes, dass sie sich, sollte der Stammeshäuptling keinen Anspruch auf sie erheben, mit auf den Scheiterhaufen ihres Mannes warf. Dorian hatte erlebt, wie ein vierzehnjähriges Mädchen der Mut dazu verlassen hatte. Sie war weniger als einen Monat lang mit einem alten Mann verheiratet gewesen, den sie vor ihrer Hochzeit nie gesehen hatte. Ihr Vater hatte sie blutig geschlagen und sie selbst aufs Feuer geworfen, unter Flüchen, warum sie ihn derart beschämt habe.
    »He«, sagte Hopper, »du denkst nach. Tu das nicht. Das ist hier nicht gut. Wenn du hart arbeitest, hast du keine Zeit nachzudenken. Kapiert?«
    Halbmann nickte.
    »Dann wollen wir dir das jetzt aufbinden, und du kannst dich an die Arbeit machen.«
    Zusammen banden sie Halbmann den riesigen Korbkrug auf den Rücken. Mit Tuchwickeln um die Schultern und die Hüften war er in der Lage, das gewaltige Gewicht der irdenen Krüge voller Unrat zu bewältigen. Hopper versprach ihm, dass der nächste Krug fertig sein würde, wenn Halbmann zurückkam.
    Halbmann trottete mit seiner Last durch die kalten Basaltflure. In den Gängen der Sklaven war es immer dunkel; es brannten nur so viele Fackeln, wie nötig waren, damit die Sklaven nicht zusammenstießen.
    »Ich habe keine Lust mehr, zahnlose Sklavinnen zu vögeln«,
hörte er eine Stimme aus der nächsten Abzweigung des Flures. »Ich habe gehört, dass es im Tigerturm eine Neue gibt. Es heißt, sie sei schön.«
    »Tavi! Du darfst ihn nicht so nennen.« Berthold Ursuul war Dorians Urgroßvater gewesen. Er war verrückt geworden und hatte geglaubt, er könne zum Himmel aufsteigen, wenn er einen Turm baute, der hoch genug und mit Säbelzahntigern aus Harani geschmückt war. Garoth schämte sich seiner Verrücktheit und hatte verboten, den Turm anders zu nennen als Bertholds Turm.
    Dorian blieb stehen. An der Einmündung hing eine Fackel, und es gab keine Möglichkeit, sich zurückzuziehen, ohne bemerkt zu werden. Die Edelinge - denn niemand sonst sprach mit solcher Arroganz - kamen direkt auf ihn zu. Es gab kein Entkommen.
    Er riss sich zusammen. Er war jetzt Halbmann, ein Eunuchensklave. Also ging er krumm und betete, dass er nicht auffallen würde.
    »Ich rede, wie ich will«, sagte Tavi und trat im gleichen Moment aus dem Nebengang, als Halbmann die Einmündung erreichte. Halbmann blieb stehen, trat zur Seite und wandte den Blick ab. Tavi war ein klassischer Edeling: gutaussehend trotz seiner Adlernase, gepflegt, gut gekleidet, befehlsgewohnt - und mit seinen knapp fünfzehn Jahren verströmte er bereits eine Aura von großer Macht. Unwillkürlich versuchte Halbmann, ihn einzuschätzen - er musste der erste seiner Samenklasse sein. Er hätte zu denen gehört, die Dorian als Erste zu beseitigen versucht hätte. Tavi war einer derjenigen, denen Prahlerei ein Bedürfnis war. Er würde seine Uurdthan nicht überleben. »Und ich kann auch bumsen, wen ich will«, sagte Tavi und blieb ebenfalls stehen. Er blickte den langen Flur in beide Richtungen entlang, als habe er die Orientierung verloren. Seine Unentschlossenheit ließ Halbmann auf der Stelle verharren. Er konnte sich nicht bewegen, ohne möglicherweise den Edelingen in den Weg zu geraten.

    »Außerdem«, sagte Tavi, »sind die Harems zu streng bewacht. Aber der Tigerturm hat nur zwei Schrecknisse an

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