Jenseits Der Schatten
überlegte Kylar. Es gab nur eines, was er Lantano Garuwashi voraus hatte. Nun, abgesehen von seiner Unsichtbarkeit.
~Oh, benutz die nicht! Das wäre nicht fair!~
Was Lantano Garuwashi nicht hatte, waren die Jahre, die Kylar gegen jemanden gekämpft hatte, der besser war als er selbst. Kylar studierte Garuwashis Kampfstil auf eine Weise, wie Garuwashi niemals einen Gegner hatte studieren müssen. Der Ceuraner kämpfte gradlinig. Garuwashi verließ sich im Grunde auf seine überragende Geschwindigkeit, Stärke, Reichweite, Technik und seinen absoluten Willen zu gewinnen. Und - da!
Kylar hatte die Aktion mit dem Namen Lord Umbers Überdruss erst halb beendet, als er sie modifizierte und die letzte Parade so wendete, dass Ceur’caelestos seine Wange nur um Haaresbreite verfehlte. Sein eigenes Schwert schnitt in Garuwashis Schulter - aber Garuwashis Gegenangriff war bereits angesetzt. Kylar musste einen Arm hochreißen und bewirkte instinktiv, dass der Ka’kari sich darin konzentrierte.
Weißes Licht blitzte auf und sprühte Tausende von Funken, als sei Kylars Arm ein gewaltiger Schleifstein und Ceur’caelestos ein Stück Stahl. Kylars Arm brannte.
Die Kämpfer taumelten zurück, und Kylar wusste im gleichen Augenblick, dass der Ka’kari zerstört worden wäre, hätte Garuwashi auch nur ein Quäntchen mehr Kraft in seinen Schlag gelegt.
~Bitte … bitte tu das nie wieder.~
»Wer hat Euch das gelehrt?«, verlangte Garuwashi mit hochrotem Gesicht zu wissen.
»Ich …« Kylar hielt verwirrt inne. Sein linker Arm pulsierte und blutete, wo Ceur’caelestos darübergefahren war.
»Er meint die Kombination, die Aktion, Kylar«, sagte Feir mit weit aufgerissenen Augen. »Diese Aktion nennt sich Garuwashis Wendung. Niemand außer ihm ist schnell genug, um sie zu benutzen.«
Kylar nahm wieder die Ausgangsstellung ein, ohne Angst jetzt, aber im Bewusstsein der Vergeblichkeit seines Tuns. Er hatte gegen Garuwashi gekämpft, so gut er konnte, und ihm kaum Schaden zugefügt. »Das hat mich niemand gelehrt«, sagte er. »Es schien einfach das Richtige zu sein.«
Sofort war jede Spur von Ärger aus Lantano Garuwashis Zügen verschwunden. Er war ein Mann von plötzlichen Leidenschaften, begriff Kylar, unberechenbar, energiegeladen, gefährlich. Garuwashi zog ein weißes Tuch hervor und säuberte Ceur’caelestos ehrfürchtig von Kylars Blut. Dann schob er die Klinge des Himmels zurück in ihre Scheide.
»Ich werde Euch heute nicht töten, Kylar Do’en, Friede Eurer Klinge. In zehn Jahren werdet Ihr auf dem Höhepunkt Eurer Kraft sein. Dann wollen wir uns in Aenu treffen und vor dem königlichen Hof kämpfen. Meister wie wir verdienen bei einem Kampf die Aufmerksamkeit von Spielleuten, Frauen und geringeren Meistern. Solltet Ihr gewinnen, nehmt Euch alles, was mein ist, die Heilige Klinge eingeschlossen. Sollte ich gewinnen, werden Euch bis dahin wenigstens zehn Jahre Leben und Ruhm geblieben sein, nicht wahr? Es wird ein Ereignis werden, das zehn Jahre lang erwartet werden und von dem tausend Jahre lang die Rede sein wird.«
In zehn Jahren würde Kylar tatsächlich seine beste Zeit haben, aber was Garuwashi nicht gesagt hatte, war, dass er selbst die seine bereits hinter sich gelassen haben würde. Wie alt würde Garuwashi
dann sein - fünfundvierzig? Vielleicht würden er und Kylar dann in ihrer Reaktionsgeschwindigkeit ebenbürtig sein. Er würde immer noch die größere Reichweite haben, und beide wären um sehr viel Erfahrung reicher, aber alles in allem hatte Kylar bei diesem Handel doch wesentlich mehr zu gewinnen als Garuwashi. Würde es dem Wolf etwas ausmachen, wenn Kylar zehn Jahre wartete? Wenn Kylar sich nicht töten ließ, würde er den Wolf für eine Weile ohnehin nicht mehr zu Gesicht bekommen - nun, vielleicht für zehn Jahre. Wenn Kylar aber durch dieses Schwert sterben sollte, würde er den Wolf vermutlich auch nicht mehr treffen.
Mit einer Grimasse fragte Kylar: »Sagt mir, wenn ich Euch versprechen würde, dass ich Euch etwas hole, würdet Ihr es jetzt haben wollen oder in zehn Jahren?«
»Wenn Ihr es jetzt versucht, werdet Ihr sterben. In zehn Jahren werdet Ihr eine Chance haben.«
Vor einem Monat hatte Kylar nur ein Ziel gehabt: seine Freundin Elene davon zu überzeugen, dass achtzehn Jahre als Jungfrau genug waren. Dann war Jarl gekommen, um ihm die Nachricht zu überbringen, dass Logan Gyre in seinem eigenen Verlies gefangen saß - und war vor seinen Augen ermordet worden. Kylars Treue den
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