Jenseits Der Schatten

unvertrauten Schild um sie herum bemerkte, während sie aufstand.
    »Ihr steht in meiner Schuld. Jetzt tut etwas. Ich bin verausgabt.«
    Ein Dutzend grüner Feuerbälle verschiedener Größen zog
einen Bogen über die Brücke. Vi tastete nach ihrer Magie, aber in ihren Ohren dröhnte es noch immer. Sie war zu langsam.
    Nichtsdestotrotz wurde jeder einzelne der fallenden Feuerbälle der Khalidori wie ein Pfeil angehoben, beschrieb dann einen Bogen durch die Luft und krachte zurück in die khalidorischen Linien. Eine Frau stieß einen Freudenschrei aus, und Vi erkannte Schwester Rhogas Stimme. Vis Schlachtenmagae hatten dieses magische Gewebe vier Tage hintereinander geübt, aber zu sehen, dass es tatsächlich funktionierte, raubte Vi den Atem.
    Vi konnte ihr Pferd nicht finden, obwohl sie keine Ahnung hatte, wie es durch die dichten Reihen von Lanzenträgern, Bogenschützen und Schildträgern hindurchlaufen konnte, die den Fuß der Schwarzen Brücke hielten. Sie bahnte sich einen Weg nach vorn.
    Die Männer, die die Schildwand an der Frontlinie aufrechterhielten, sahen sie an. Jeder ihrer Schilde war mit Dutzenden von Pfeilen bedeckt. Die khalidorischen Bogenschützen waren dahintergekommen, dass sie, wenn sie niedrig genug schossen, hier Ziele finden konnten. »Wie viel Deckung wollt Ihr, Schwester?«, fragte ein magerer Offizier, der mindestens zwanzig Jahre älter war als sie. Die erste Reihe Soldaten kniete auf einem Knie, während ihre Schilde sie vollkommen bedeckten; die zweite Reihe hielt ihre Schilde schräg darüber, und eine dritte hielt die ihren trotz des Schirms über den Kopf. Sie standen so dicht wie nur möglich.
    »Du da, ruh dich aus«, sagte Vi zu einem Mann in der zweiten Reihe. Sie zwängte sich hindurch und steckte den Kopf durch die Schilde.
    Sie entdeckte den Vürdmeister aufgrund des kreiselnden, schwarzen Vir-Schildes, der sich vor ihm drehte. Einen Moment später bohrten sich mehrere Magierfeuerpfeile in seinen Schild,
aber der Vürdmeister schien es kaum zu bemerken. Er schaute flussabwärts zu der Furt am Großen Markt.
    Die khalidorischen Hochländer hatten die Sa’ceurai durch den Fluss verfolgt, und Tausende hatten inzwischen die cenarische Seite erreicht. Vi sprang das Herz in die Kehle.
    Über dem Großen Markt schoss eine blaue Flamme in den Himmel. Rechts von Vi mühte sich ein Magus auf den schmalen, steinernen Weg, der quer über die Staumauer verlief. Weil das Wasser sich über den oberen Rand des Damms ergoss statt durch seine seit Jahrhunderten geschlossenen Schleusen, erwischte den Magus ein starker Guss von der Dammkrone gut fünfzehn Meter über ihm. Er hielt sich am Geländer fest und kletterte vorwärts, Hand über Hand, wobei er sich mühte, mit den Füßen auf dem Stein Halt zu finden. In der Mitte des Weges befanden sich zwei riesige Flaschenzüge, und die Ketten, die um sie herumgeschlungen waren, waren noch immer makellos. Die Ketten selbst verschwanden im Antlitz des Damms, wo sie die Schleusentore öffnen würden. Der Magus warf dicke, blaue Seile aus Magie über jeden der Flaschenzüge und spannte sie an.
    Er hatte kaum angefangen, als ein halbes Dutzend Vürdmeister, die sich in den khalidorischen Reihen versteckt hatten, nach vorn stürzte. Feuer, Hämmer aus Luft, Sturmwinde und Wurfgeschosse wurden aus allen Richtungen auf den einsamen Magus losgelassen. Die Schilde des Magus hielten, bis sich ein glänzender, weißer Homunkulus auf seinen Flügeln zu ihm hinaufschwang. Der Magus schrie, als die Luft aufriss und ein Grubenwurm auf ihn zuschnellte.
    Die Kiefer des Wurms bohrten sich durch Schild und Mann und durch einen der riesigen Flaschenzüge, dann zog der Wurm sich in die Hölle zurück, aus der er gekommen war, und verschwand.

    Einen Moment später zerrissen sechs grüne Feuergeschosse den anderen Flaschenzug, brachen ihn auf und sprengten die Ketten.
    Erst als sie den zweiten Flaschenzug vernichteten, wurde Vi klar, dass sie soeben die Zerstörung einer Falle Garuwashis mit angesehen hatte. Der Kriegsführer hatte die Niederlage geheuchelt, um die Khalidori in den Fluss zu locken, wo er sie ertränken wollte. Aber die Khalidori hatten Bescheid gewusst. Warum sonst hätten sie die Gegenwart von sechs Vürdmeistern verbergen sollen? Jetzt wurde Garuwashis Falle ihm selbst zum Verhängnis.
    »Feir!«, rief Vi. Sie drehte sich um und sah zu ihrer Überraschung, dass er direkt hinter ihr war, und die Furcht in seinen Augen verriet ihr, dass er verstand.