Jenseits Der Schatten
ausrufen und niemand kommen würde?«
»Wie meinst du das?«
»Ich habe nicht die Absicht, irgendwelche Cenarier zu töten«, sagte Dorian, »obwohl ich verstehe, warum sie das nicht glauben wollen. Wir sind nur hier, um Neph und Moburu zu vernichten. Bei Morgengrauen werden unsere Gesandten die Cenarier wissen lassen, dass wir nicht angreifen werden, aber ich denke nicht, dass wir uns ihretwegen Sorgen machen müssen. Sie haben bereits eine Verteidigungsposition bezogen, genau wie wir. Sie werden bleiben, bis sie sehen, dass wir uns zurückziehen, und dann werden sie nach Hause gehen.«
Jenine stand auf, und Dorian konnte nicht anders, als in ihrer Schönheit zu schwelgen. Das vertraute, von Panik untermalte Begehren schlug über ihm zusammen. Er wollte sie packen und verzweifelt lieben, genau jetzt, als würde er vielleicht nie wieder
eine Chance dazu bekommen. Aber es war fast Morgengrauen, und es gab Dinge, die er tun musste.
»Meine Leute sind bekümmert über die Plünderungen deines Vaters, und dieser Wilde, Lantano Garuwashi, ist bei ihnen. Sie sagen, er bade in Blut. Was werden wir tun, falls sie angreifen? Ich werde unsere Gesandte sein«, sagte Jenine. »Mir werden sie glauben.«
»Nein!«, protestierte Dorian.
»Warum nicht?«
»Es ist gefährlich.«
»Sie werden keine Frau angreifen, die mit der Flagge eines Unterhändlers näher kommt. Außerdem, besser ein Risiko für mich als für vierzigtausend Leben.«
»Das ist es nicht«, sagte Dorian, der hektisch nachdachte. »Deine Gegenwart könnte einen Krieg auslösen, meine Liebste. Was würde Terah Graesin tun, wenn sie sähe, dass du lebst, selbst wenn du mit der Flagge eines Unterhändlers kommst? Dein Leben wäre der Tod all ihrer Macht. Die Menschen tun schreckliche Dinge, um zu behalten, was sie lieben, Jenine.« Tatsache war, wenn er Jenine zu Logan schickte, würde die Gefahr eines cenarischen Angriffs binnen einer Sekunde erlöschen - ebenso wie seine Ehe.
Es sei denn … was war, wenn Jenine ihn wählte? Sie hatte Logan kaum gekannt. Was Dorian mit ihr aufgebaut hatte, war … real? Es ist auf einer Lüge aufgebaut. Oh Solon, was würdest du sagen, wenn du mich jetzt sehen könntest?
»Ihr habt recht, mein königlicher Gemahl. Ich wünschte einfach, es gäbe etwas, das ich tun kann.«
Dorian küsste sie. »Mach dir keine Sorgen. Es wird alles gut werden.« Er trat durch die Zeltlasche und sah einen schwitzenden jungen Mann, der offensichtlich eine Nachricht für ihn hatte und
offensichtlich zu große Angst hatte, einen Gottkönig zu wecken. »Was gibt es?«, fragte Wahnhoff.
»Euer Heiligkeit. Der Kriegsführer hat mir befohlen, Euch mitzuteilen, dass der Angriff auf Reigukhas eine List war. Unsere Spione haben sich geirrt. Die Cenarier haben jetzt über zehntausend Mann mehr als wir, und … Euer Heiligkeit, sie greifen an.«
86
Das Kämpfen in diesen verdammten Roben würde eine Strapaze werden, aber Vi war froh, dass sie nicht ihre skandalöse Blutjungenkleidung trug. Nun, sie trug sie, aber unter den anderen Gewändern. Wenn sie ohne ihre graue Kluft in die Schlacht gezogen wäre, hätte sie sich so gefühlt, als kämpfe sie mit offenem Haar.
Ein blonder Mann, der breiter war, als er groß war, führte sein Pferd neben sie. Ein Magier, das konnte sie erkennen. »Feir Cousat«, sagte er. »Ihr seid Vi?«
Sie nickte. Sie waren in der zehnten Reihe postiert, hinter Lanzen- und Schildträgern, die die Brücke vor dem Damm schützten. Von ihrem erhöhten Standort aus konnten sie das ganze Tal überblicken.
Unten auf dem Markt erhob sich über Garuwashis Männern eine Flagge. Als sie zum dritten Mal geschwenkt wurde, begannen die Ceuraner auf den Fluss zuzumarschieren. Lantano Garuwashi selbst ritt neben den Frontlinien, und als er sein Schwert zog, glänzte es im Licht. Ein Jubelschrei erhob sich.
Vi kniff die Augen zusammen und betrachtete das Schwert. Irgendetwas stimmte damit nicht.
»Was ist los?«, fragte Feir.
»Dieses Leuchten … habt Ihr das gemacht?«
»Was?! Das könnt Ihr von hier aus sehen?«
»Es sieht genauso aus wie Ihr. Wie Eure Arbeit, meine ich. Ich weiß nicht.«
Die Hochländer, die das Zentrum der khalidorischen Schlachtreihe bildeten, reagierten nur langsam. Sie taten nichts, bis die Hälfte von Garuwashis fünftausend Männern das gegenüberliegende Ufer erreicht hatte. »Was tun sie?«, fragte Feir. »Die Khalidori haben keine Pfeile abgeschossen.« Dann rückten die Hochländer im Laufschritt
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