Jenseits Der Schatten
damit seine Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt hätte. Es waren die Wunden eines Mannes, dessen Fehler selten und unbedeutend gewesen waren.
Er schüttelte den Kopf, als wolle er den Schlaf abschütteln,
aber Kylar dachte, dass die Bewegung eher darauf zielte, die gebundenen Enden der über sechzig Locken in seinem Haar klappern zu lassen wie eine Schale voller Murmeln. Lantano Garuwashi grinste Kylar freudlos an. »Ich habe Euch erwartet«, sagte er.
Kylar konnte es nicht glauben, aber wie sonst würde er einen so leichten Schlaf haben, dass er aufwachte, wenn jemand fünfzehn Meter entfernt Papiere umblätterte?
»Wenn Ihr mich erwartet hättet, wäre dieses Zelt von fünfzig Sa’ceurai umstellt.«
»Ich wusste von Eurem Kommen, sobald mein Wachposten gemeldet hatte, dass jemand seine Beinkleider zusammengebunden hat.«
Kylar klappte der Unterkiefer herunter. »Er hat sich selbst gemeldet?«
Garuwashi lächelte selbstzufrieden. Kylar hätte ihn gern für blasiert gehalten, aber es war ein ansteckendes Lächeln. »Ich habe ihm eine leichte Strafe und eine reiche Belohnung zugeteilt - wie er erwartet hatte.«
»Alter Huren …« Wann immer Kylar etwas für selbstverständlich nahm, schlug jemand es ihm ins Gesicht.
~Lernst du etwas daraus?~
Kylar ignorierte den Ka’kari. »Also, wenn Ihr mich erwartet habt … All das hier ist Gossendreck.« Er ließ die Papiere auf den Tisch fallen. »Es gibt keinen Versorgungszug.«
Garuwashis Grinsen verblasste. »Er ist auf dem Weg«, erwiderte er. »Wenn Ihr mir nicht glaubt, wartet zwei Tage ab. Sagt mir, denkt Ihr, all diese Berichte könnten geschrieben worden sein, nachdem Ihr mit meinem Wachposten gespielt habt? Das wäre eine gewaltige Anstrengung gewesen, nicht wahr? Und es wäre dumm von mir, es wegzuwerfen, indem ich euch verrate, dass ich Euch erwartet habe.«
Kylar blinzelte. »Also, worauf wollt Ihr hinaus?«
Garuwashi begann sich anzuziehen. »Oh, sind wir nun ehrlich miteinander?«
»Könnte schneller zum Ziel führen, als zu lügen.«
Garuwashi zögerte. »In Ordnung. Ich bereite mich darauf vor, König zu werden, Nachtengel.«
»Hochkönig?«, fragte Kylar.
Garuwashi wirkte verwirrt. »Ihr sagt das, als bedeute es etwas für Euch.«
Kylar verfluchte seine Ungeschicklichkeit. »Ein Gerücht, das mir zu Ohren gekommen ist.«
»Warum sollte ich den Wunsch haben, Hochkönig zu sein? Cenaria und Ceura sind weder groß noch weit entfernt voneinander. Das Benennen von Unterkönigen würde einfach dazu führen, dass ich mir Rivalen heranzüchte.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung und gürtete sich die dünne Seidenrobe um die Taille. »In einem Jahr werde ich König von Ceura sein. Ich habe jetzt einen Ruf, der im Großen und Ganzen meinen Zwecken dient. Aber in unserer Hauptstadt Aenu nennen die verweichlichten Adligen mich einen Barbaren. ›Tüchtig im Krieg, ja, aber kann ein Schlächter König sein?‹ So attackieren sie einen Mann, der zu herausragend ist. Daher habe ich ein gewisses Interesse daran, diese Stadt zu erobern, ohne zu töten. Wir wissen beide, dass ich Cenaria einnehmen kann. Ich habe Euch lange genug lesen lassen, um das zu begreifen, nicht wahr?«
»Also, was wollt Ihr?«, fragte Kylar. »Die Kapitulation. Bedingungslos. Ich werde Euch mein Wort darauf geben, barmherzig zu sein. Ich werde im Frühjahr auf brechen, um meinen Thron zu fordern, und sobald ich ihn bestiegen habe, werde ich dieses Reich Eurer Königin zurückgeben.«
Kylar konnte ein Zucken des Ärgers nicht verhindern.
Garuwashi bemerkte es. »Ihr zieht es vor, wenn Herzog Gyre zum König gemacht würde? In Ordnung. Ich werde die Hälfte der königlichen Schatzkammer zurückgeben. Darüber hinaus werden meine Männer den Winter damit verbringen, die Sa’kagé auszulöschen. Sagt mir, ist nicht das allein den Preis wert, uns zu nähren und ein Dach überm Kopf zu geben? Ist es nicht mehr als die Hälfte der Schatzkammer wert?«
~Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Schatzkammer leer ist.~
Dann wurde Kylar klar, dass Lantano Garuwashi wusste, dass die Khalidori alles mitgenommen hatten. Garuwashi bot der Königin lediglich einen Sieg für ihren Stolz an: Ihr wollt die Hälfte der Schatzkammer? Hier ist die Hälfte von gar nichts! Und wenn er seine Ceuraner davon reden ließ, dass Garuwashi auf die Hälfte der cenarischen Schatzkammer verzichtete, würde dies seinen Ruf festigen, ein großzügiger Mann zu sein, ganz gleich, wie wenig die Hälfte
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