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Jenseits Der Schatten

Titel: Jenseits Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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sagen, und starrte Solon an. Er war der alte Wariyamo-Kämmerer, ein Sklave, der aus eigenem Antrieb auf Dauer bei der Familie geblieben war, statt im siebten Jahr seine Freiheit zu fordern, und offensichtlich erkannte er Solon. Nach einem Moment erholte er sich und flüsterte Oshobi etwas zu, der daraufhin prompt die Richtung wechselte und Solon bedeutete, ihm in die große Halle zu folgen.
    Sie gingen durch die große Halle, vorbei an dekorativen, geometrischen
Mustern und Strahlenkränzen, die sämtlich aus Schwertern und Speeren zusammengesetzt waren. Es war eine weitere verschwenderische Zurschaustellung und dazu gedacht, Gesandten eine Botschaft zu übermitteln: Wir haben so viele Waffen, dass wir mit ihnen unsere Häuser dekorieren. Es war, dachte Solon, eine vernünftigere Verschwendung als das Buntglas. Die große Halle war leer, bis auf die Wachen an der gegenüberliegenden Tür, und sie waren beide zu jung, um Solon zu erkennen. Sie öffneten prompt die Türen zum inneren Hof, so dass Oshobi seinen Schritt nicht einmal verlangsamen musste. Oshobi führte Solon vorbei an dem großen Thron, von dem aus Solons Vater und Bruder geherrscht hatten, und weiter in den inneren Hof.
    Die Türen öffneten sich am Fuß der von Löwen gestützten Treppe. Sie stiegen einundzwanzig Stufen hinab, und Solon schnürte es die Kehle zu. Dann sah er sie.
    Kaede Wariyamo hatte schwarzes Haar und perfekte, olivfarbene Haut. Ihre Augen waren dunkelbraun, die Nase königlich, der Mund breit und voll, der Hals schmal. Entsprechend der bevorstehenden Ernte hatte sie das Haar zu einem einzigen Zopf gebunden, und ihre Nagika bestand aus simpler Baumwolle. Eine Nagika war ein Kleid, das man über eine Schulter schlang; der Stoff wurde auf der gegenüberliegenden Hüfte gerafft und fiel lang zu Boden, so dass er die Knöchel zur Gänze verdeckte und eine Brust frei ließ. Es war nicht so, wie Solon bereits bei zahlreichen Gelegenheiten in Midcyru erklärt hatte, dass sethische Männer Brüste nicht erfreulich oder zutiefst weiblich gefunden hätten. Aber sie galten einfach nicht auf die gleiche Weise als erotisch wie in anderen Ländern. In Seth machte ein Mann Bemerkungen über die Brüste einer Frau, wie ein Midcyri Bemerkungen über die Augen einer Frau machte. Aber nach zehn Jahren in Midcyru beschleunigte sich Solons Puls, als er die Frau, die er
liebte und die einst ihn geliebt hatte, solchermaßen barbrüstig sah. Kaede war jetzt achtundzwanzig Jahre alt, und die meisten Spuren des unschuldigen Mädchen, das er gekannt hatte, waren aus ihrem Gesicht gewichen. Die Intelligenz hatte sich in den Vordergrund geschoben, und eine Härte, die einst tief in ihr vergraben gewesen war, lag jetzt dicht unter der Oberfläche. Die Löcher der Clansringe auf ihrer rechten Wange hatten sich schon lange geschlossen, aber die Grübchen waren geblieben und zeigten der Welt, dass sie nicht als Kaiserin geboren worden war.
    Solon fand sie schöner denn je. Er erinnerte sich an den Tag, als er fortgegangen war, um mit den Magi zu trainieren. Er hatte diesen schlanken Hals geküsst, diese Brüste liebkost. Er konnte sich noch immer an den Geruch ihres Haares erinnern. Es war in eben diesem Raum gewesen, wo sie gedacht hatten, dass niemand sie finden würde. Er hatte sich oft gefragt, ob sie ihm Einhalt geboten hätte und wann. Aber sie hatten es nie herausgefunden. Ihre Mutter, Daune Wariyamo, hatte sie entdeckt und ihnen beiden gezürnt, und sie hatte ihn mit solch abscheulichen Namen bedacht, dass er sie, wäre er nur ein wenig älter gewesen, aus dem Palast hätte werfen lassen. Und auch ihrer Tochter hatte sie ihre Bosheit nicht erspart. Solon hatte Kaede damals enttäuscht. Er hatte zugelassen, dass seine eigene Scham ihn daran hinderte, Kaede zu beschützen, die noch jünger und noch verletzbarer gewesen war. Es war nur das erste der Dinge, die er in Bezug auf sie bedauerte.
    »Oh, Kaede«, sagte er. »Deine Schönheit würde die Sterne selbst beschämen. Warum hast du niemals geschrieben?«
    Die plötzliche Weichheit in ihren Augen wurde zu Stahl. Sie schlug ihm heftig ins Gesicht.
    »Wachen! Werft diesen Bastard in den Kerker.«

26
    Auf dem großen Platz vor dem Südtor der Stadt sammelten sich bei Kylars Eintreffen Männer. Die Boten der Königin, die den Angriff absagen würden, würden noch einige Minuten auf sich warten lassen. Aber sie würden kommen. Kylar war in diesem Punkt beinahe sicher. Durzo hatte ihn jedoch gelehrt, dass man sich

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