Jenseits Der Unschuld
Kind auszugeben.«
»Das musst du tun!« herrschte Suzanne sie an. Sie machte zwei Schritte ins Zimmer, blieb jedoch erneut stehen, um ihr nicht zu nahe zu kommen. Das Kind würdigte sie keines Blickes. »Die Dienstboten werden den Mund halten, weil sie befürchten, ohne Referenzen aus dem Haus gejagt zu werden. Wer weiß sonst noch davon?«
Sofie atmete schwer.
»Wer weiß sonst noch von dem Kind?« wiederholte Suzanne schneidend.
»Lisa. Und der Marquis von Connaught.«
Suzanne erbleichte. »Du Närrin! « Sie zitterte nun am ganzen Leib. Dann begann sie auf und ab zu gehen, um sich zu beruhigen. »Aber er gehört bald zur Familie, also kann ich auch auf seine Verschwiegenheit zählen, das hoffe ich wenigstens.« Sie wandte sich wieder an Sofie. »Du musst nur so lange den Schein wahren, bis die Adoption über die Bühne gegangen ist.«
Sofie sprang auf die Füße und hielt Edana an sich gedrückt, die ihre Brustspitze verloren hatte und laut protestierte.
»Nein. Nein.«
Suzanne baute sich drohend vor ihr auf. »Es muss sein. «
»Nein!« schrie Sofie außer sich.
»Hör mir zu!« schrie Suzanne zurück. »Es geht um deine Zukunft, dein Leben! Du wirst für immer und ewig von der Gesellschaft verstoßen sein, wenn du dieses Kind behältst. Begreifst du denn nicht? Du wirst nie wieder irgendwo empfangen werden! Ich beschütze dich nur! «
»Und was wird aus meinem Baby?« rief Sofie empört. Edana weinte nun laut, doch Sofie konnte sie nicht trösten.
»Was wird aus Edana? Willst du ihr Leben zerstören? Sie ist mein Kind! «
»Komm zur Vernunft! « beschwor Suzanne sie. »Ich habe bereits ein reizendes Ehepaar in Boston gefunden, wohlhabend und angesehen, das sehr daran interessiert ist, das Kind zu adoptieren. Wärst du in Paris geblieben, hätte mein Brief dich dieser Tage erreicht. Es ist alles in die Wege geleitet Sofie. Es ... «
»Hinaus!« schrie Sofie außer sich vor Zorn. »Hinaus!« Sie hielt das weinende Baby im Arm, griff mit der anderen Hand nach einem mehrarmigen Silberleuchter und schleuderte ihn nach ihrer Mutter. Er verfehlte sein Ziel, prallte aber mit solcher Wucht gegen die Wand, dass die scharfen Kanten die Tapete zerrissen. »Hinaus!« schrie Sofie gellend wie eine Furie.
Suzanne erstarrte.
Sofie stand bebend vor ihr, in ihrem Blick funkelte mörderischer Hass.
Suzanne machte kehrt und floh.
»Sofie?«
Sofie wiegte Edana im Arm und schluchzte haltlos. Sie sa zu der Freundin auf, die aus dem angrenzenden Zimmer eingetreten war. »Wir müssen fort, Rachelle.«
»Das kann doch nicht ihr Ernst sein.«
»Doch«, erwiderte Sofie mit erstickter Stimme. »Sie hat sie nicht einmal angesehen. Kein einziges Mal. Wir müssen fort. Gleich!«
Rachelle nickte, weiß wie ein Gespenst. Sofie schlotterte am ganzen Körper. Nur Edana war friedlich eingeschlummert.
Sofie starrte aus dein Hotelfenster. Der Morgen graute über New York. Auf der Straße unten rührte sich bereits Leben. Der Milchmann verteilte seine Flaschen. Ein Gemüsehändler schob einen hochbeladenen Karren über das holprige Kopfsteinpflaster. In einem Torbogen schliefen zwei 00b-dachlose, in geflickte Mäntel gehüllt. Ein Zeitungsjunge fuhr auf dem Fahrrad vorbei. Zwei Polizisten auf glänzend gestriegelten, gut genährten Pferden ritten im Schritt die Straße entlang. In der Ferne bellte ein Hund.
Sofie hatte nicht geschlafen. In Gedanken wiederholte sie immer wieder den grässlichen Streit mit ihrer Mutter. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Suzanne weiterhin darauf bestehen würde, sie müsse Edana zur Adoption freigeben. Bitterkeit stieg in ihr hoch. Sie fühlte sich von ihrer Mutter verraten und schändlich im Stich gelassen.
Angst krampfte ihre Eingeweide zusammen.
Sie würde bis zum letzten Blutstropfen um ihre Tochter kämpfen. Eine Trennung von Edana würde sie nicht überleben.
Sie hatte bereits eine Liebe in ihrem Leben verloren und konnte den Verlust nur schwer verkraften. Sie durfte nicht auch noch Edana verlieren.
Sofie legte die erhitzte Wange an die kühle Fensterscheibe. Wo mochte Edward sein? Mit Sicherheit würde auch er bald in New York eintreffen. Wenn sie einer Heirat mit ihm nur zustimmen könnte ... Wenn er sie nur lieben würde! Dann wäre sie gefeit gegen die Herzlosigkeit ihrer Mutter, gegen ihren furchtbaren Verrat.
Aber es sollte nicht sein. Sofie fühlte sich wie ein in die Enge getriebenes wildes Tier. So unbegreiflich die Vorstellung auch war, ihre Mutter war ihre Feindin
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