Jenseits Der Unschuld
gleichermaßen ausgestattete Rothaarige schmiegte sich an seine linke Seite. In der Stadt gab es an die hundert private Herrenclubs, von denen viele die Elite der New Yorker Gesellschaft zu ihrer Klientel zählten.
Dieses Etablissement war keine dieser respektablen Adressen.
La Boite genoss den zweifelhaften Ruf, von den Randfiguren der Gesellschaft frequentiert zu werden. Den Damen, die hier ihre Dienste anboten, war das breitgefächerte Spektrum nächtlicher Vergnügungen vertraut, und sie scheuten sich nicht, den Herren selbst die abartigsten Wünsche zu erfüllen. Edward hatte das Etablissement vor wenigen Wochen zum ersten Mal aufgesucht und war unterdessen ein willkommener Stammgast im La Boite geworden.
Beim Anblick des funkensprühenden Diamanten kreischten die Mädchen. Die Pokerspieler gafften stumm. Nur Edward sah teilnahmslos auf den Edelstein, den er auf die Dollarnoten hatte kullern lassen. »Ich habe kein Bargeld mehr«, brummte er mit leicht undeutlicher Stimme.
»Der Klunker ist fünfmal mehr wert als der ganze Pot!« entfuhr es einem bärtigen Lebemann, in dessen grauem Gesicht jahrelange Ausschweifungen deutliche Spuren hinterlassen hatten.
Edward blickte den Sprecher gelangweilt an und ließ den Blick über die Runde der Spieler wandern. »Spielen wir oder nicht? Wenn nicht, suche ich mir eine andere Runde. «
Die Herren beeilten sich, murmelnd zuzustimmen, und das Spiel wurde fortgesetzt. Edward blieb unbeeindruckt, als ein Spieler einen Flush aufdeckte, der die zuvor gezeigten zwei Paare übertraf. Dann zeigte auch er sein Blatt ohne mit der Wimper zu zucken. Drei gleiche Karten. Der Gewinner stieß einen Triumphschrei aus und kassierte den Pot. Der Diamant verschwand in der Innentasche seines Jacketts. »Sie sind verrückt«, erklärte er in Edwards Richtung und grinste von einem Ohr zum anderen. »Sie haben gerade ein Vermögen verloren.«
Edward zuckte mit den Schultern. »Ach wirklich? Mir ist das einerlei.« Er kam mühsam auf die Beine. Die beiden Schönen der Nacht standen ebenfalls auf. Er verneigte sich kurz vor den Spielern, legte die Arme um seine Begleiterinnen und verließ schwankend den verrauchten Spielsalon.
Suzanne eilte die Treppe hinunter; sie hatte sich ein wenig verspätet, doch dies war weiter nicht tragisch. Viele Opernbesucher kamen nicht pünktlich zu Beginn der Vorstellung. In der Halle blieb sie vor dem hohen Spiegel stehen und bewunderte ihr schulterfreies, nur von zwei dünnen perlenbesetzten Trägern gehaltenes Abendkleid. Das enganliegende Oberteil aus glänzendem Satin wurde von einem weit ausschwingenden, reich mit Perlen bestickten Rock ergänzt. Die elfenbeinweiße Robe bildete einen starken Kontrast zu dem dunklen Haar ihrer kunstvollen Hochfrisur. Ihre kostbaren Ohrgehänge aus Perlen und Diamanten funkelten bebend. Sie hatte all ihre Überredungskunst aufgewandt und ihren Gemahl zu guter Letzt auch noch verführt, bis er sich endlich bereit erklärte, ihr die Kostbarkeiten zu schenken. Beim passenden Kollier, das sie gleichfalls trug, hatte er allerdings abgewinkt. Das hatte sie sich selbst gekauft ... mit einem Teil von Sofies Geld. Suzanne beschwichtigte ihr Gewissen und versicherte sich, Sofie würde nichts dagegen. einwenden, hätte sie davon gewusst.
Suzanne rief in die Halle: »Lisa? Lisa, wo bist du?«
Lisa trat aus dem Salon in einem schlichten Abendkleid aus pfirsichfarbener Seide mit kurzen Puffärmeln. Um ihre Schultern lag eine Atlasstola in einem um eine Nuance helleren Rosaton. Kleine Diamantohrstecker waren der einzige Schmuck, den sie trug. »Ich bin seit einer halben Stunde fertig.«
Suzanne überhörte die Bemerkung und legte ihr Pelzkappe um. »Komm, lass uns gehen.«
Lisa rührte sich nicht. »Findest du nicht, wir sollten Sofie fragen, ob sie uns begleiten will?«
Suzannes Lider flatterten. »Sie ist im Atelier und malt.«
»Sie ist immer im Atelier und malt.«
»Sie würde sich weigern, uns zu begleiten.«
»Vielleicht könnte ich sie überreden.« Lisa lächelte gequält. »Sie leidet, Suzanne. Früher war sie mit ihrer Arbeit glücklich. Aber das ist vorbei.«
»Sie kommt darüber hinweg«, entgegnete Suzanne leichthin. »Ich will jetzt nicht darüber diskutieren, Lisa. Ich weiß genau, was für meine Tochter richtig ist.«
Lisas Gesicht wurde ernst. Ihre Stimme bebte. »Suzanne, wir beide wissen genau, was geschehen ist. Mr. Delanza sollte dazu stehen und tun, was richtig und schicklich ist.«
Suzannes Puls
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