Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
gestattete; sein kundiger Wille blockierte den Schall. Niemand würde sie hören oder finden oder ihn stören, während er sich nährte.
Als sie sich nicht mehr rührten, hatte er ihre Wunden bereits mit seiner Zunge geheilt. Zwei winzige Mückenstiche waren an ihrem Hals zu sehen, und auch das nur, wenn man genau hinsah.
„Mein Schöne“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Wie gut du schmeckst .“
Sie lag in seinem Arm, ein wenig zu blass, ein wenig zu sehr außer Atem und erschöpft, hin- und hergerissen zwischen absoluter Befriedigung und neuem Wollen.
Er stand auf und brachte seine Kleidung in Ordnung, während sie noch dort lag, die Röcke bis zur Körpermitte hochgezogen, die Bluse offen. All ihre Schönheit war sichtbar, ihre hübsche Gestalt, ihr geheimes Paradies. Er hatte nichts genommen, was man ihm nicht freimütig geboten hatte, und doch verstand er die Kunst, es sich darbieten zu lassen. Einem moralischen Sterblichen würde das immer noch als Notzucht gelten.
Doch er war weder moralisch noch sterblich.
Er wollte sie noch einmal lieben, doch noch einmal von ihr zu trinken war unmöglich. Zu gefährlich. Er wollte ihr nicht schaden. Sie hatte ihm all die Liebe geschenkt, derer sie fähig war, und nun war es Zeit sie zu verlassen.
Er kniete sich neben sie, liebkoste ihre Wange. Sie streckte die Arme nach ihm aus, und einen Augenblick lang gelüstete es ihn, sie ein zweites Mal zu erfreuen. Stattdessen zog er ihr den Rock zurecht und knöpfte ihre Bluse zu. Einige Strohhalme waren ihr ins Haar gekommen, und er entfernte sie zärtlich.
„Komm noch einmal zu mir!“, flüsterte sie.
Er küsste sie und schloss ihre Augen mit seiner Hand. In ein paar Minuten würde sie aufwachen und sich an nichts erinnern. Nur ihr Körper würde ab nun eine vage Vorstellung von dem haben, was er konnte und mochte.
„Ich danke dir, meine Schöne“, murmelte er. „Vielleicht sehen wir uns ja wieder.“
Einen Augenblick später war er draußen, spazierte ungesehen durch die Schatten. Das nächtliche Dîner hatte einen ausgezeichneten ersten Gang gehabt.
Zwei Straßen weiter sah er die Silhouette einer Frau im Kerzenschein, im zweiten Stock eines Gebäudes. Sie entkleidete sich gerade. Ihre Figur war ansehnlich, auch wenn er mehr als ihre Konturen hinter dem Vorhang nicht auszumachen vermochte.
Er konnte nicht zur Fledermaus werden und fliegen, doch er konnte wie eine Katze klettern, und schon Sekunden später stand er oben auf dem Fensterbrett und lugte in ein bescheidenes Schlafzimmer, in dem sich eine Frau zur Nacht fertig machte. Sie war keine achtzehn mehr. Erste Silbersträhnen zeigten sich in ihrem dunklen Haar, das sie vor einem winzigen Spiegel bürstete. Sie trug nur ein einfaches Nachthemd. Durch das geschlossene Fenster ergriff er ihre Gedanken, sah ihren verwirrten Gesichtsausdruck im Spiegel. Sie legte Spiegel und Bürste fort, ließ ihn mit einem irritierten Lächeln ein.
Sie musste einmal sehr hübsch gewesen sein, dunkel und üppig. Diese Schönheit war unter der Last der Jahre und eines Lebens voller Arbeit schon etwas verblasst. Dennoch hatte sie noch ihre Ausstrahlung, und er streckte seine Hand nach ihr aus. Ohne Scheu trat sie in seine Umarmung und entblößte ihm ihren Hals. Er leckte daran, bereitete ihn vor und biss zu in ihr Leben. Er kostete die Abgeklärtheit eines erwachsenen Geistes, während ihr Blut ihn nährte. Er trank, doch er hörte bereits, dass er nicht mehr lange bleiben konnte. Jemand kam die Holztreppe hoch.
Gierig sog er an ihr, hielt sie mit den Gedanken und mit den Händen gleichermaßen. Dann heilte er sie, hob sie hoch, legte sie in ihr einfaches Bett. Er liebkoste ihren Sinn, und sie lächelte, schloss die Augen und vergaß ihn. Ihr Atem ging heftig, ihr Körper zeigte alle Anzeichen von erwachter Leidenschaft, doch er hatte keine Zeit, ihr Verlangen zu stillen.
Er verschwand durchs Fenster, noch während die Türklinke heruntergedrückt wurde. Von draußen sah er, wie der Gatte in den Raum trat. Er würde die Früchte ernten, die er nicht gesät hatte. Graf Arpad lächelte. Mit ein wenig Phantasie konnte man ihn beinahe als Wohltäter auffassen, auch wenn seine Beute das sicher nicht so sehen würde, so sie denn bewusst darüber zu urteilen hätte.
Nach Westen spazierte er. Ein weiterer Besuch bei seinem Sohn stand an. Beleidigt oder nicht, Thorolf musste auf ihn hören. Es gab noch so vieles, über das sie zu reden hatten, zu viele Gefahren, auf die er den jungen
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