Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
wandte sich dem jungen Künstler zu. „Wenn Sie die Zeit malen müssten, ohne ein gängiges Symbol dafür zu verwenden, wie würden Sie sie darstellen?“
Thorolf blickte seinen Gastgeber erstaunt und ein wenig betreten an.
„Ich weiß nicht, Herr Professor. Da müsste ich schon eine ganze Weile drüber nachdenken. Man könnte eine Entwicklung darstellen, vom Knaben zum Manne, von der Geburt zum Tod“, gab der junge Mann zurück.
„Das zeigt aber nur eine Dauer an“, widersprach Asko, „keinesfalls die Zeit selbst. Vielleicht könnte man sich die Ewigkeit besser vorstellen, wenn man Zeit malen könnte. Aber um ganz ehrlich zu sein, ist die Ewigkeit nichts, womit ich mich dieser Tage besonders intensiv beschäftige. Ich bin sterblich. Meine Sterblichkeit ist mir in der Vergangenheit sehr bewusst gemacht worden. Im Spiegel der Unendlichkeit, existiere ich kaum länger als eine Eintagsfliege.“
Feuerbach sah ihn nachdenklich an, der Professor auch und ebenso Lord Edmond, der sich eben zu der Gruppe dazugesellte.
„Die Welt ist ein Karussell“, schlug er als Erklärung vor und sah dabei ein wenig gönnerhaft aus. „Dennoch bemerken wir nicht, wie sie sich dreht.“
„Aber wir würden die Bewegung wahrnehmen, wenn wir aussteigen könnten, um uns das ganze von außen zu betrachten“, gab Asko trocken zurück.
Der Weißhaarige sah ihn nachdenklich an. Ein entzückendes Lächeln erhellte seine Züge.
„Ist es das, was Sie gerne tun würden? Die Welt anhalten, um auszusteigen und eine bessere Aussicht zu haben?“
„Ob man eine bessere Aussicht hätte, sei dahingestellt, doch die Perspektive wäre atemberaubend. Was würde man nicht alles dafür geben, genau so eine Aussicht – oder Einsicht – zu erhalten?“
„Was genau?“, fragte Lord Edmond.
„Wie bitte?“, meinte Asko.
„Was würden Sie denn geben, um eine Außenansicht der Welt zu erhaschen? Ihr Leben? Ihre Zukunft? Ihren Verstand? Ein einziger Blick vollkommenen Verstehens – und dann nichts mehr? Was würden Sie dafür geben, Herr von Orven? Ihre Gesundheit? Oh, nein, die haben Sie ja schon Ihrem König geopfert.“ Asko zuckte ob der Unverschämtheit zusammen. „Wie steht’s um die Liebe? Würden Sie Ihre Liebe geben für einen vollkommenen Einblick in die Realität, quasi von außen?“
Asko starrte ihn an.
„Mylord, das würde ich auf keinen Fall. Kein noch so vollkommener Einblick in die Realität von außen wäre den Verlust der Liebe wert“, sagte er.
„Dann muss Ihre Gattin eine glückliche Frau sein“, gab Lord Edmond zurück, und Asko lief dunkelrot an. „Ich hoffe, Sie ist entsprechend dankbar.“
„Ich habe dankbar zu sein“, sagte er steif und konnte nicht fassen, dass ein Gespräch über die physikalischen Eigenschaften von Zeit auf einmal auf die Dankbarkeit, die er seiner Frau schuldete, umgeschwenkt war. Dieser Kerl war entschieden zu direkt. Er übertrat jede Grenze der Höflichkeit. Ein wenig erinnerte er Asko an Graf Arpad. Jener machte sich auch absolut nichts aus höflichen Konventionen und übertrat die Grenzen des Anstandes andauernd.
„Da fahren Sie also auf dem Karussell herum, Herr von Orven, umdiedum und rundherum, und sie werden die Ewigkeit nie von der anderen Seite sehen, weil Sie Ihre Last nicht ablegen und einfach springen möchten.“
Asko focht um eine Antwort und war dankbar für den beinahe naiven Kommentar Thorolfs.
„Lord Edmond, ich fürchte, Sie erwarten zu viel von mir. Ich kann ein Karussell malen. Doch wenn ich eines malen würde, so würde ich Herrn von Orven gewiss nicht auf eines der hölzernen Reittiere setzen. Er scheint mir schlichtweg nicht die Art Mann zu sein, der ohne Ziel und oder freien Willen seine Runden durch die Zeit trudelt.“
Lord Edmonds blassgraue Augen betrachteten den Maler eingehend, und es lag in ihnen so viel Feindseligkeit, dass sich Asko die Nackenhaare hochstellten. Vielleicht sollte er den Sohn von Frau Sophie Treynstern besser warnen, wenngleich er nicht wusste, vor was.
Er mochte den Engländer nicht. Der Mann hatte etwas Verunsicherndes an sich. Asko entsann sich, dass er Charlotte darüber hatte berichten wollen und dass ihm die Begegnung vollständig entfallen war. Er fragte sich, ob sein Gastgeber, der anerkannteste Naturwissenschaftler dieses Königreiches, ahnte, dass er einen Gast beherbergte, der vielleicht kein Mensch war. Asko war schon mehr als einem Feyon begegnet, und er hasste sie alle ohne Ausnahme. Er mochte ihre Macht nicht,
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