Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
ihn nicht einmal.
Mit eigenem Boden unter den Füßen fühlte sie sich sicherer. Sie konnte nun das verwirrende Geschehen jenseits der Tür vollständig ignorieren. Nicht ihr Revier. Nicht ihre Angelegenheit.
Damit schlief sie unglaublicherweise ein. Die letzte Nacht war aufreibend und der Tag voller Hunger und Anstrengungen gewesen. Die Gefahr mochte noch immer präsent sein, doch sie war nicht mehr so immanent. Unter dem Bett war es dunkel, und Catty fühlte, wie ihre Gedanken dahintrieben, und nach einem kurzen Kampf gab sie nach.
„Sie sind nicht gekommen!“, tönte es durch den wabernden Nebel, und sie erkannte Lord Edmonds Stimme. Dunkel und samtig klang sie und bot eine sichere Zuflucht. Fast blieb ihr das Herz stehen. Seine Stimme war einladend wie ein Licht im Dunkel. Ihr ganzes Wesen drängte dorthin, zog sie in die Richtung. Er würde ihr helfen. Er hatte sie retten wollen.
Er hätte sie ruiniert.
„Ich habe auf Sie gewartet“, fuhr er fort, und ein Anflug von Traurigkeit untermalte vorwurfsvoll seine Worte. Sie fühlte sich schuldig.
„Es tut mir leid“, sagte sie in den weißen Nebel hinein und meinte dann, dass es schon ein wenig unfair von ihm war, ihr vorzuwerfen, sie hätte ihn versetzt. Sie hatte ihm schließlich nichts versprochen. „Ich war auf dem Weg zu Ihnen. Aber da war eine Spinne“, erklärte sie entschuldigend und schmollend zugleich. Wie ein Kind. Jedenfalls nicht wie eine erwachsene Frau. Schon gar nicht wie eine Katze.
Doch nun sah es aus, als hätte sie tatsächlich mit ihm gehen wollen. Dabei hatte sie das gar nicht. Wirklich nicht. Eine Erkenntnis später wusste sie, dass sie auf alle Fälle mit ihm gegangen wäre. Schöner Kater. Elegantes Gebaren. Starkes Männchen. Er würde sie mit seinen Zähnen am Genick packen und dann …
Sie schauderte, brachte die mentale Mauer um sich herum wieder komplett in Stellung.
„Sind Sie nicht ein bisschen zu alt, um Angst vor einer Spinne zu haben?“, schalt er sanft und ein wenig spöttisch. Sie ärgerte sich über die Beleidigung. „Sie sind doch kein Kind mehr. Sie sind eine junge Frau.“ Das wusste er also. „Eine sehr schöne junge Frau. Sie waren die schöne junge Frau auf dem Weg zu jemandem, der Sie liebt. Liebe überwindet doch bekanntlich alle Hindernisse – alle außer Spinnen?“
„Es war eine sehr große Spinne!“, rief sie und klang auch in ihren eigenen Ohren kindisch dabei. „Ich dachte, sie hätte Sie umgebracht. Haben Sie sie denn nicht gesehen?“
Mit einem Mal war sie sich nicht mehr sicher, dass er sie liebte. Nicht so, wie man lieben sollte. Auch ihrer eigenen Liebe war sie sich nicht mehr sicher, und das, obgleich ihr Herz für ihn brannte und seine Stimme so ungeheuer einladend klang. Ein Heim hatte er ihr versprochen, Wärme und Freundlichkeit, eine Schulter, an die man sich lehnen konnte, einen Arm der einen schützte.
Doch sie hatte ihn enttäuscht, und etwas hielt sie zurück, trotz ihres Wunsches, sich in seinen Armen zu verbergen und alles zu vergessen.
Sie war eine Katze.
Durch den Nebel konnte man gar nichts erkennen, doch der Boden unter ihren Füßen war weich und taubedeckt. Sie erkannte ihn. Sie waren wieder in jenem Tal, doch es war keine mondklare Nacht, und man konnte kein Schloss sehen. Bis in die Knochen fühlte sie, dass dies sein Revier war. Sein Heim lag hier, hier herrschte ganz allein er. Ihr standen die Haare zu Berge bei der Erkenntnis, dass sie sich auf gänzlich fremdem Terrain befand. Hier jagte jemand anderes, und sie sollte gar nicht hier sein, sofern sie nicht vorhatte, um dieses Revier zu kämpfen. Das würde sie niemals. Sie wollte es gar nicht haben. Diese Jagdgründe waren entschieden zu gefährlich für eine kleine Katze.
„Catrin, wo sind Sie?“, lockte die Stimme, und die eben noch etwas verärgerten Untertöne, die sie so deutlich wahrgenommen hatte, waren verschwunden, nichts als Illusion, ein Missverständnis, nichts weiter.
„Im Nebel. Ich kann nichts sehen.“ Das war die Wahrheit. Die Welt war weiß und grau. Catty konnte nicht einmal ihre eigenen Pfoten erkennen, fühlte nur die feuchte Erde. Es war, als wäre man blind. Sie rührte sich nicht, konzentrierte sich auf alle ihre Sinne, auf ihr Gehör, auf das, was ihre Schnurrhaare ihr sagten, auf die Irritation, die sie in der Schwanzspitze fühlen konnte, auf das Unbehagen, das in ihr und um sie herum wuchs, Füllmasse für ihre mentale Mauer.
So sollte sie sich nicht fühlen. Er würde ihr
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