Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
war wohl auch so gemeint. Sophie war eine Frau, die nie den Kopf verlor.
„Jetzt komm“, fuhr sie fort. „Wir setzen uns erst einmal ins Wohnzimmer, und Joseph kann noch einmal ausfahren und die Orte überprüfen, an denen er sein könnte.“
„Das ist es ja gerade. Wir wissen nicht, wo er sein könnte.“ Charly merkte, dass sie hysterisch klang.
„Vielleicht hat er ja von Görenczy besucht. Das ist doch möglich.“
„Nicht, ohne es mir zu sagen!“
„Charlotte, jetzt lass dem Mann ein wenig Freiraum! Es gibt Dinge, die Männer nur mit anderen Männern besprechen.“
„Nicht meiner.“
„Lieber Himmel. Jetzt beruhige dich. Lass Joseph zu von Görenczy fahren und fragen, ob er ihn gesehen hat. Wohnt der Herr Leutnant in der Kaserne oder hat er eine Wohnung?“
„Er hat eine Wohnung in der Nähe der Kaserne. Joseph, bitte …“
„Da war ich schon“, murmelte Joseph. „Ich bin gerade mal vorbeigefahren und wollte kurz fragen, aber der Leutnant ist nicht da. Frühlingsmanöver. Da ist er nicht zu Hause.“
Charly sah sich entsetzt um. Wenn Joseph diese Möglichkeit bereits überprüft hatte, dann hieß es, dass er sich genauso viel Sorgen machte wie sie.
„Aber wo kann er denn nur sein? Ich habe ein ganz schlechtes …“
Sophie übernahm.
„Hier im Flur herumzustehen wird ihn nicht zurückbringen. Charlotte, meine Liebe, geh zur Köchin und lass das Essen servieren. Sie soll etwas für Asko aufheben, und sie soll uns Tee machen.“
Beinahe schubste sie Charly aus dem Flur, und diese ging widerwillig in die Küche. Sie schloss die Tür nicht ganz, sondern blieb nahe am Flur und lauschte noch nach draußen. Sie hörte ihre Freundin mit dem Burschen flüstern.
„Joseph, wissen Sie wirklich nicht, wo er ist, oder ist er irgendwo hingegangen, wovon Gattinnen nichts wissen sollen? Es wäre ganz falsche Loyalität, es nicht zu sagen. Falls es so ist, finde ich eine Ausrede und kann Frau von Orven trotzdem beruhigen. Aber wissen müssen wir es.“
„Er ist abgängig, gnä’ Frau“, gab Joseph zurück und klang ein wenig erbost ob der Zumutung, oder vielleicht auch nur, weil Damen von solchen Orten nichts wissen und gewiss nicht darüber sprechen sollten. „Er hat mich nie gebeten, ihn zu … so einem Ort … er ist ein guter Ehemann. Treu und so, und er sagt mir immer, wo er hingeht. Ich hätte auf ihn gewartet, aber er hat mich heimgeschickt.“
„Niemand macht Ihnen einen Vorwurf. Sind die Pferde noch angespannt? Gut. Wir werden einen Bissen essen, und dann werden Frau von Orven und ich noch einmal ausfahren. Mit wem haben Sie bei den Lybrattes gesprochen?“
„Mit einem Hausdiener.“
Natürlich. Er hatte am Lieferanteneingang geklopft. Die Dienerschaft mochte einfach nichts wissen.
„Dann werden wir den guten Herrn Professor selbst fragen. Vielleicht weiß er ja mehr.“
Charly schoss aus der Küche.
„Am besten, wir fahren sofort!“, rief sie und merkte dann, dass sie sich gerade verraten hatte. Sie hatte gelauscht. Sehr unhöflich. Im Flurspiegel konnte sie sehen, wie sie dunkelrot anlief. „Es tut mir leid“, stammelte sie und versuchte, die Situation zu retten. „Ganz zufällig habe ich gehört …“
„Natürlich. Aber ich möchte, dass du dich erst noch einmal hinsetzt, eine Tasse Tee trinkst und mir alle Einzelheiten erzählst. Vielleicht haben wir ja etwas ganz Naheliegendes außer Acht gelassen.“
„Aber wir sollten …“
„Charlotte, es geziemt sich nicht, völlig aufgelöst bei den Lybrattes vorzusprechen. Du musst dich erst ein wenig beruhigen. Es ist schon längst Abendessenszeit. Zu spät für einen bloßen Höflichkeitsbesuch. Wenn wir sie schon am Abend unangemeldet heimsuchen, sollten wir das wenigstens mit ein wenig Ruhe und Gefasstheit tun.“
Sophie führte sie ins Esszimmer, in dem Charlys Hausangestellte neben dem gedeckten Tisch stand. Sie schickte sie hinaus.
Die beiden Frauen setzten sich. Einen Augenblick lang blieb es still.
„Tut mir leid, dass ich eine solche Szene gemacht habe“, entschuldigte sich Charly schließlich und fühlte sich schuldig, dass sie die Anzeichen von Kummer an ihrer Freundin so gänzlich ignoriert hatte. „Dir geht es selbst nicht gut, und ich belaste dich auch noch …“
„Mir geht es gut.“
Ihre Blicke trafen sich, und beide stellten fest, dass ihre Augen vor zurückgehaltenen Tränen glitzerten. Sie gaben sich die Hände und klammerten sich aneinander fest.
„Hast du Thorolf besucht?“, fragte
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