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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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erst beginnen sollen. Lucilla hatte andere Pläne für das Mädchen, und ihm war sehr wohl bewusst, dass es falsch war, Lucillas Wünsche zu durchkreuzen. Strategisch falsch, nicht unbedingt moralisch. Moral war etwas für Menschen. Er war kein Mensch und interessierte sich nicht für deren seltsame, logisch kaum fassbare Ethik. Gut und Böse hatte keinen Einfluss auf das, was er plante. Spaß oder Langeweile, Genuss oder Eintönigkeit, Befriedigung oder Frustration – das waren die Maximen, nach denen er sein Handeln ausrichtete. Er wollte das Leben spüren und es genießen, es nehmen oder es zerstören.
    Einen Augenblick lang hatte er im Atelier des Malers geglaubt, das Mädchen zu spüren, doch das Abbild ihrer Aura hatte sich verflüchtigt, war nicht mehr als eine Erinnerung des Malers gewesen, die wie ein Duft in der Luft hing. Er hätte die Wohnung durchsuchen können. Aber dazu hätte er den Maler ausschalten müssen, und der Mann stand ihm nicht zu. Nicht dass der junge Mann eine Chance gegen ihn gehabt hätte. Er war nur ein mickriges Menschlein – oder zumindest kaum mehr.
    Doch Regeln waren Regeln, und die Regeln diesen Menschen betreffend waren erst vor kurzem deutlich in den Äther geschrieben worden. Die Macht eines elterlichen Schwurs umgab das Halbblut, machte es tabu für direkte Angriffe. Jeder Feyon konnte das Racheversprechen sehen, riechen, fühlen und spüren. Die Schutzaura würde mit der Zeit verschwinden, doch noch war sie frisch, neu und stark.
    Doch das Spiel war noch nicht aus. Es würde nur auf einer anderen Ebene stattfinden. Der Künstler war ein Menschenmann, und trotz seines Fey-Erbes würden sich Menschen um ihn kümmern müssen. Menschen konnten die frische Warnung nicht sehen, die jedem Feyon so deutlich die Lage klarmachte. Also konnte man sich gemütlich zurücklehnen und zusehen, wie seine eigenen Leute ihn aus dem Weg räumten. Ohne Konsequenzen für Edmond, den britischen Edelmann. Großbritannien war ein so schönes Land und so nützlich. Die Tendenz der oberen Zehntausend, auf dem Erdenrund hin- und herzuschippern auf der Suche nach neuen Entdeckungen, Abenteuern oder Wilden, die man ausbeuten konnte, war überall bekannt und wurde nie hinterfragt.
    Der Künstler war nicht sein Problem. Lord Edmond musste das Mädchen zurückbekommen. Das würde nicht einfach werden. Die Skizzen, die er in der Wohnung des Malers gesehen hatte, zeigten sie in einer jüngeren Version, als kleines Mädchen und nicht als heranreifende Frau. Er musste sie gemalt haben, als sie sehr viel jünger gewesen war, und sie hatte ihn so sehr beeindruckt, dass er ein Bild nach dem anderen von ihr angefertigt hatte.
    Die Präsenz einer Katze hatte er im Haus gefühlt, diffus, aber spürbar. Das mochte heißen, dass die Katze dort gewesen und nun fort war. Oder dass die Katze die Kunst erlernt hatte, sich unauffällig zu machen. Nur war es ausnehmend schwierig, ihn zu täuschen. Zu schwierig für ein … Kätzchen.
    Er goss sich ein Glas Sherry ein, trat ans Fenster und spähte vorsichtig hinter dem Vorhang hervor. Er konnte den Mann, der ihm gefolgt war, deutlich fühlen. Er wartete im Schatten einer Seitengasse, die gegenüber seinem Haus von der Hauptstraße abzweigte. Lord Edmond lächelte. Da überschätzte jemand eklatant seine arkanen Fähigkeiten, auch wenn diese für einen Menschen vielleicht beachtlich waren. Fast gelang es dem Menschlein, seine Aura bedeckt zu halten.
    Aber nur fast. Lord Edmond war nicht gewohnt, dass man ihn verfolgte. So Menschen ein Interesse an ihm entwickelten, das über höfliche Distanziertheit hinausging, tendierten sie gemeinhin dazu, ihm nicht nach-, sondern vielmehr ihm davonzulaufen. Sein Diener war das letzte Exemplar, das ein so besonders ausgeprägtes Interesse an ihm bekundet hatte, und der Mann stand nun schon über zwanzig Jahre in seinen Diensten mit nur noch einem einzigen Interesse, nämlich ihm zu dienen.
    Brauchte er einen neuen Diener? Einen jüngeren? Besser nicht. Sich mit anderen Menschen auseinandersetzen zu müssen würde Stephan nur irritieren. Fokussierte Zielstrebigkeit hatte seine Nachteile. Die Anpassungsfähigkeit an neue Situationen war nicht Stephans größte Stärke.
    Wenn man davon absah, dass sein Verfolger in keiner Weise eine Bedrohung darstellte, so blieb es doch beunruhigend, dass er sich überhaupt für Lord Edmond interessierte, ihn als etwas Außergewöhnliches wahrgenommen hatte, das es zu beobachten galt. Meister gehörten zu

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