Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
das war eigentlich dazu gedacht, Menschen draußen zu halten, nicht andere Sí. Die Tür war ein Bollwerk. Er berührte sie nicht einmal, sondern glitt um das robuste Bauwerk herum. Alle Fenster im Erdgeschoss waren geschlossen – und mehr als das. Er würde sich mit Gewalt Einlass verschaffen müssen, wenn er es dort versuchte. Damit würde er die Anordnung des Banns stören, der unerwünschte Besucher fernhalten sollte.
Er lief ums Haus, berührte nur dessen Schatten.
Noch einmal umkreiste er es.
Dann noch einmal.
Ganz oben, fast unter dem Dach, gab es ein Fenster mit einer etwas anderen Ausstrahlung. Er wünschte, er hätte die Fähigkeit zu fliegen nicht schon vor Jahrhunderten verloren. Doch er hatte im Gegenzug etwas erhalten, das ihm wertvoll erschien, und so war es beinahe freiwillig geschehen. Nicht ohne Trauer über den Verlust, aber doch in dem Bewusstsein etwas Besseres dafür eingetauscht zu haben.
Doch er konnte klettern. Er konzentrierte sich auf die Art und Weise. Wie eine Spinne? Besser nicht. Wie ein Insekt? Wie ein Eichhörnchen.
Sekunden später balancierte er auf dem Fensterbrett hoch oben unter dem Dach. Er stieß ein Fenster auf, verbarg den Klang im Nichts und glitt ins Zimmer.
Es war ein Mädchenzimmer. Ein Brevier lag auf dem Nachttisch, verdeckte nur unvollkommen das Buch darunter: französische Märchen. Es sah ungelesen aus. Ein Gemälde an der Wand zeigte eine Frau mit zwei Kindern in den Armen, einem Mädchen und einem Jungen. Ein schwarzes Seidenband war um eine Ecke des Rahmens gespannt.
Der Ofen war kalt wie das Zimmer. Niemand schlief hier. Der Raum war auffallend leer. Arpad roch Traurigkeit, die noch in der Atmosphäre zu schwingen schien. Das Mädchen, das hier gelebt hatte, war nicht glücklich und sorgenfrei gewesen. Doch es hatte die mentale Stärke besessen, seine Umgebung mit den Farben seiner Gefühle zu gestalten. Ein seltenes Talent. Normalerweise fand man es in Menschen, die arkane Fähigkeiten besaßen. Auch in Künstlern bisweilen.
Er bewegte sich lautlos über den Holzboden. Neben dem Bett lag ein weicher Teppich. Beim Fenster gab es einen kleinen Sekretär mit Tinte und Feder. Er zog leise das Schubfach auf. Ein ledergebundenes Buch mit einem Schloss. Das war sicher das Tagebuch des Mädchens. Sie führten alle Tagebuch, um ihr ereignisloses Leben und ihre ereignisreichen Träume darin zu dokumentieren. Manchmal tauchte er darin auf wie ein Alptraum, der plötzlich und unvermutet angenehm wurde.
Er atmete tief ein und kostete den Duft der jungen Frau. Wenn sie hier gewesen wäre, hätte er versucht, sie glücklich zu machen – auf seine ganz eigene Weise. Fast war das Aroma vertraut, doch er konnte sich nicht erinnern, woher er es kannte. Er war sich sicher, dass er die Besitzerin dieses Zimmers nie kennengelernt hatte, und doch war da irgendetwas. Eine Duftspur nicht sofort zuordnen zu können machte ihn beinahe nervös.
Er streckte die Hände aus und sog alle Sinneseindrücke auf, die ihn umgaben. Der Raum war noch nicht lange leer, höchstens ein paar Tage. Doch jenseits der Tür spürte er Macht. Sein Haar hob sich im Nacken. Außerordentlich große Macht. Auch diese schmeckte bekannt. Zu bekannt.
Einen Herzschlag später stand er wieder am Fenster. Doch schon war da kein Fenster mehr, nur noch eine Wand. Zu spät. Er war zu langsam gewesen.
Er drehte sich wachsam um.
Sie sah aus wie eine schöne Menschenfrau, blond, stattlich, beeindruckend. Atemberaubend. Seine Anthrazitaugen starrten in ihre grünen. Das war schlecht.
„Du siehst ausnehmend schön aus in dieser Erscheinungsform“, sagte er und musterte sie anerkennend.
„Ich wirke immer eindrucksvoll – ganz egal in welcher Erscheinungsform“, erwiderte sie sachlich.
„Wirklich überzeugend“, schmeichelte er.
„Offenbar nicht überzeugend genug, sonst wärst du nicht hier, Jungspund. Was suchst du?“
„Ich scheine einen Freund verlegt zu haben.“
„Da dachtest du, er könnte womöglich hier sein?“
„Da bin ich mir sicher – nun noch mehr als noch vor einer Minute.“
„Wen suchst du?“
„Asko von Orven. Wie du weißt.“
Ihr Lachen war glockenhell, ihr Lächeln charmant.
„Tatsächlich? Wie ich ihn einschätze, kann ich mir kaum vorstellen, dass ihr Freunde seid.“
„Ich sorge mich um sein Wohlergehen. Du kannst mir doch sicher sagen, ob er in Sicherheit ist?“
„Das kommt sehr auf deine Definition von Sicherheit an, Jungspund. Ich habe ihn. Das stimmt. Ob
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