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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Mal, was ihm zu schaffen gemacht hatte. „Er hat mich in Frieden gelassen, solange er mich in diesem Frieden sicher glaubte. Er kam, als ich ihn brauchte.“
    „Warum kannst du ihn dann nicht lieben?“, erkundigte sich die Frau. „Ich spüre keine Liebe.“
    Er sah in die großen graubraunen Augen.
    „Ist es das, worauf Sie aus sind? Meine Liebe zu spüren? Eben noch schienen sie ganz erpicht auf meinen Zorn zu sein.“
    „Wie aufmerksam von dir, kleines Halbblut.“ Die Hand zog sich zurück, und der Riss in seiner Brust schloss sich. „Liebe ist eine starke Emotion. Doch Zorn ist auch nicht schlecht. Was wird es denn nun werden, Farbenkleckser? Wirst du mir dein Herz auf einem Tablett servieren?“
    „Wer sind Sie?“
    Zwei schmale Hände fassten seine Schultern und zogen ihn näher heran.
    „Warum findest du es nicht heraus? Erkenne mich! Ergründe mein Geheimnis!“
    Er weigerte sich, den Doppelsinn der Aufforderung zu verstehen.
    „Ich fürchte, mein Leben wird nicht lang genug sein, selbst wenn Sie sich entschließen könnten, mich zu verschonen.“
    „Wie wahr! Ein unvermuteter Geistesblitz, mein Junge.“
    „Ich bin nicht Ihr Junge.“
    Sie lächelte und beugte sich vor, während sie auf Zehenspitzen stand. Ihre Lippen berührten die seinen, rückten näher, wurden fordernd. Ihre Hände hielten sein Gesicht umfasst. Er fühlte ihre glatte, weiche – und plötzlich auch gänzlich nackte Haut gegen seinen Körper gedrückt, in voller Länge. Widerwillen durchfuhr ihn, seine Gedanken flohen nach hinten, weit fort, über den Abgrund des Schlafes hinaus in die Wirklichkeit seines Bettes, wo er sich wiederfand.
    Einen Augenblick lang fühlte er sich sicher in der anthrazitgrauen Dunkelheit seiner Kammer. Dann spürte er nackte Haut neben sich. Die Gliedmaßen einer Frau. Sie teilte sein Bett mit ihm. Sie war mit ihm gekommen. Die Alptraumfrau war ihm gefolgt, um ihm das Herz auszupressen, aus dem Körper zu reißen, ihn in Stücke zu zerfetzen. Er konnte ihre Haut riechen, den Körper nah, allzu nah an sich spüren. Die Wirklichkeit brachte keine Sicherheit. Der schlimmste aller Alpträume ruhte neben ihm. Eine Hand lag auf seiner Brust, genau über seinem Herzen.
    Finger bewegten sich und krallten nach ihm.

Kapitel 54
    Für Menschenaugen war der Schatten unsichtbar. Er bewegte sich mit dem verschwindenden Mondlicht von einem dunkeln Fleck zum nächsten. Er glitt durch die Nacht. Wer immer ihn wahrgenommen hätte, hätte sich äußerst unwohl gefühlt. Mehr als das. Das Schauspiel hätte ihn mit Furcht erfüllt. Doch niemand sah ihn. Er kam näher, fiel zurück, erstarrte zum Säulenschatten und eilte dann weiter. Ein erfahrener Jäger auf heimlicher Jagd.
    Arpad beobachtete das Haus aus der Entfernung. Es war groß und imponierend, eine Villa mit einem kleinen Vordergarten und einem größeren dahinter. Stufen führten zu einem reliefgeschmückten Vorbau hinauf. In die Holztür waren komplizierte Muster aus Rahmen und Quadraten geschnitzt. Das Haus wirkte eher wie ein Landsitz, war untypisch für ein Stadthaus. Die Besitzer mussten ausgesprochen begütert sein. Es war frisch gestrichen, die Fenster blitzten sauber in der Dunkelheit, der Kies war glattgeharkt. Geld und Dienerschaft.
    Es war mitten in der Nacht, und nichts rührte sich um das Haus herum. Es sah aus, als schliefe es mit seinen Bewohnern, anständig und harmlos, das perfekte Heim für wichtige Leute, die wussten, dass die Welt von physikalischen Gesetzmäßigkeiten und weltlichem Einfluss regiert wurde und von sonst gar nichts. Selbst wenn man den Nachtjäger, der draußen herumschlich, sah, würde man seine Existenz heftigst leugnen.
    Dennoch war es bizarr. Häuser übernahmen mit der Zeit den Charakter der Menschen, die darin lebten, und in diesem Haus mussten mindestens dreißig Jahre lang Menschen gelebt haben. Doch es wirkte beinahe leer, war unauffällig – was für ein Haus dieser Größe schon an ein Wunder grenzte. Es schien einem zu sagen: Sieh mich nicht an! Hier gibt es absolut nichts zu sehen.
    Das stimmte. Das „Nichts“, das es zu sehen gab, war beinahe überwältigend. Doch auch das nahm man nur wahr, wenn man von vornherein gekommen war, um eben nach diesem Haus zu suchen. Schritt man nur daran vorbei, mochte man es gar nicht registrieren. Selbst dem Vampir wäre es kaum aufgefallen, und Menschen würden es gänzlich ignorieren, sogar solche, die sonst besonders aufmerksam die Welt beobachteten. Ians Logenbrüder oder

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