Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
gerade eine Einladung, doch es verhieß Leute auf der anderen Seite. Mit etwas Glück waren diese Leute keine Riesenspinnen. Wenn sie so darüber nachdachte, konnte es im Grunde schlimmer nicht mehr werden.
Sie schnüffelte, trat so dicht an die Anomalie, dass ihre Schnurrhaare die Seiten fast berührten. Sie vibrierten. Ihr Gehirn summte. Ihre Sinne füllten sich und quollen über. Angst kämpfte gegen ihre Entschlossenheit. Sie leerte ihren Sinn und zählte bis drei. Eins. Zwei. Drei. Dann sprang sie.
Sie spürte, wie der Spalt hinter ihr zuschnappte und sah sich besorgt nach ihrer Schwanzspitze um. Das war entschieden zu knapp gewesen. Ihr Schwanz zuckte ungehalten. Viel zu knapp.
Ihre Pfoten sanken in die weiße Wolke ein, auf der sie sich wiederfand. Sie wusste sofort, wo sie war. In jener unheimlichen Zwischenwelt, durch die Lord Edmond sie geholt hatte. Nur war sie diesmal allein.
Im nächsten Moment hob sie jemand hoch, und sie musste ihre Meinung ändern. Schwarze Nacht strömte um und durch sie, und sie schrie und jaulte in dem starken Griff, der sie hielt.
Er hatte sie schon wieder gefangen.
Sie verlor sich in Panik. Was würde er tun, jetzt da sie ihm ein zweites Mal davongelaufen war? Sie wehrte sich und fauchte.
„Ganz ruhig!“, sagte eine dunkle Stimme. Sie kannte diese Stimme, sie gehörte nicht Lord Edmond. Das war gut. Oder auch nicht. Konnte es doch schlimmer kommen? Sehr viel schlimmer?
Er hielt sie mit beiden Händen. Sie hatte keine Chance gegen seine Kraft. Sie sah zu ihm hoch. Dunkelheit. Schimmernde, unheimliche aber auch verführerische Dunkelheit. Erst auf den zweiten Blick konnte sie den Mann hinter der Aura erkennen. Er sah verwirrt aus und auch ein wenig amüsiert bezüglich ihrer Gegenwehr.
„Kenne ich dich?“, fragte er nachdenklich.
„Was haben Sie denn da?“, fragte die andere Stimme.
„Ein Kätzchen. Es ist durch den Spalt gekommen. Er war gerade groß genug dafür.“
Der Dunkle wandte sich um und schritt zu einem anderen Mann, der rücklings in den weißen Wolken ruhte.
„Sehen Sie“, sagte er. „Ein niedliches Kätzchen. Scheint mich allerdings nicht sehr zu mögen.“
„Ein Lebewesen mit Sinn und Verstand also“, kam ein trockener Kommentar zurück.
Der Dunkle lachte. „Aber normalerweise haben Katzen nicht solche Angst vor mir, und genau das habe ich vor ein, zwei Tagen schon einmal gesagt – zu wem nur? Oh, zu dem entzückenden jungen Mann, Master McMullens Neffen.“ Catty zuckte. Dies war tatsächlich Ians geheimnisvoller nächtlicher Besucher, der Mann, von dem sie geglaubt hatte, er wolle ihren Freund umbringen. Er musterte Catty eingehend. „Ich möchte beinahe schwören, dass ich es sogar über dieselbe Katze gesagt habe.“ Er versuchte sie zu streicheln, und sie wand sich und fauchte erneut. Er hielt sie fester, und sie schrie auf.
In ihren eigenen Ohren klang der Schrei fast menschlich.
„Was tun Sie denn?“, fragte der andere Mann ärgerlich. „Quälen Sie etwa diese kleine Kreatur? Oder saugen Sie jetzt auch Katzen aus?“
„Das Blut dieser Mieze würde keinen hohlen Zahn füllen, mein Freund. Lohnt sich nicht, was den Nährwert anbetrifft. Außerdem hasse ich Fell im Mund. Doch ich möchte nicht, dass sie wegrennt, sich hier verläuft und vielleicht jemanden oder etwas Gefährliches auf sich – und auf uns – aufmerksam macht.“
„Gefährlicher als Sie?“
„Um einiges.“
„Ich dachte, wir wären hier allein?“
„Das ist Definitionsfrage. Um das zu beantworten, müsste man vorab en detail klären, was ‚hier ‘ und was ‚allein’ bedeutet. Aber das führt zu weit. Da ...“ Er stand nun neben dem liegenden Mann und streckte ihm die Hände entgegen. „... nehmen Sie die Katze. Vielleicht mag sie Sie ja lieber als mich. Nur, lassen Sie sie nicht weglaufen, um ihretwillen nicht.“
Der Alptraum entließ sie in ein Paar Menschenhände, die um einiges schwächer waren. Sie kuschelte sich gegen die Brust des blonden Mannes. Eine Hand strich ihr sanft übers Fell. Sie zitterte, blieb aber, wo sie war. Die Unterhaltung war sowohl irritierend als auch beängstigend gewesen, doch diese Hände fühlten sich zumindest freundlich an.
„Wo ist sie wohl hergekommen?“
„Ich konnte durch den Spalt ein Zimmer erkennen. Vermutlich eines im Haus des Professors. Doch wo sie herkommt interessiert mich weniger, als warum sie hier ist und wie sie das gemacht hat.“
„Katzen sind doch für ihre Neugier bekannt. Sie haben
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