Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
sich über sie und musterte sie nachdenklich.
„Das ist keine Katze“, sagte er nach einer Weile.
„Sieht mir aber genau aus wie eine Katze“, antwortete der andere und hielt sie fast beschützend.
„Dieses Wesen war nicht immer eine Katze.“
„Also wirklich, Graf Arpad, halten Sie mich nicht für einen Crétin. Leute werden nicht zu Tieren. Froschkönige sind etwas für Märchen.“
„Vampire auch.“
Der Mensch starrte ihn eiskalt an.
„Sie wollen mir doch nicht einreden, dass Sie Menschen in Tiere verwandeln können?“
„Nur im metaphorischen Sinn. Doch ich habe Ihnen bereits erklärt, dass manche von uns die Fähigkeit haben, lebende Materie zu formen – sonst sähe Frau Lybratte wirklich sehr viel anders aus, das versichere ich Ihnen – und manche Menschen mit einem entsprechend hohen arkanen Talent können diese Kunst ebenfalls – zumindest theoretisch – erlernen, obgleich ich bislang nur einen Mann gekannt habe, dem es gelungen ist. Das ist lange her. Zweihundert Jahre mindestens.“
„Was hat er dann gemacht?“
„Er hat sich von einem Kater fressen lassen.“
Catty spürte, wie in dem Menschen Wut aufstieg. Er glaubte kein einziges Wort. Sie auch nicht.
„Noch mehr Märchen? Ich nehme an, der Kater trug Stiefel?“
Der Dunkle lächelte. Ihm schien es einerlei zu sein, ob man ihm glaubte oder nicht. Stattdessen konzentrierte er sich wieder auf sie.
„Kätzchen, ich denke, du verstehst, was wir sagen. Lass mich dich berühren, damit ich ein wenig mehr über dich herausfinde. Du wirst in den Händen deines noblen Recken ganz sicher sein. Er ist nachgerade auf das Erretten von Jungfrauen in Not spezialisiert, musst du wissen. Inzwischen wohl allerdings nicht mehr aktiv.“
Sie zitterte, als eine sanfte Hand sich auf ihren Kopf legte. Wieder vibrierten ihre Schnurrhaare, als wären sie in eines der elektrischen Experimente ihres Vaters geraten, die er ihr vorgeführt hatte, als sie ein Kind war. Sie wäre am liebsten davongelaufen, brauchte all ihre Konzentration, um dem Fluchtinstinkt nicht sofort nachzugeben, krallte sich an dem Menschen, der sie hielt, fest. Der zischte schmerzhaft erschrocken auf, und sie ließ ihn rasch los.
Finsternis kam über sie. Schwarze Nebel durchdrangen ihr Sein. Der geheimnisvolle Mann war viel zu nah, fast in ihr, zu intim, zu privat. Schemen von Erinnerungen explodierten vor ihrem inneren Auge, ein Wirrwarr von Farben und Bildern, von denen sie sich nicht lösen konnte. Sie jaulte und drückte sich noch flacher nieder, bemerkte, dass sie den Menschen schon wieder kratzte, doch sie konnte sich schlichtweg nicht zurückhalten.
Thorolf tauchte in ihrem Gedächtnis auf, und die Welt wurde klarer. Der Mann kannte ihren Retter. Plötzlich begriff sie, dass sie beide dem Künstler fast die gleichen Gefühle entgegenbrachten. Beide liebten sie ihn. Es war eine überwältigende Erkenntnis. So richtig begriff sie es eben erst. Sie liebte ihn. Weil er stark war und doch auch schwach, nett und doch nicht perfekt. Weil es Spaß machte, mit ihm zusammen zu sein und weil seine Hände eben die Hände waren, von denen sie liebkost werden wollte.
Der Vampir zog die Hand zurück.
„Diese Katze ist ein Mädchen“, sagte er. „Sie kennt … Frau Treynsterns Sohn.“ Er sah sie grüblerisch an. „Das ist die Katze, deren Anwesenheit ich gespürt habe, als ich dort zu Besuch war.“
„Sie werden nicht erwarten, dass ich das glaube.“
„Die Realität bemisst sich nicht nach dem, was Sie glauben. Sonst wäre sie ein langweiliges, armseliges, strohtrockenes Ding.“
Der Mensch blickte verdrießlich. Mit einer Hand hielt er sie fest, mit der anderen nestelte er an seinen Hemdknöpfen, öffnete sie und befingerte seine Brust. Als er sie hervorzog, war Blut daran.
Catty maunzte. Es tat ihr leid, doch sie hatte keine Möglichkeit, ihm das zu sagen.
„Sie sieht schuldbewusst aus“, murmelte der Mann, der von Orven genannt wurde.
„Ich bin sicher, sie wollte Ihnen nicht wehtun. Aber sie ist nun mal eine Katze, und so reagieren Katzen, wenn sie Angst haben.“
Nicken war keine Bewegung, die einer Katze leicht fiel, und so sah sie dem Mann nur in die blassblauen Augen.
„Sie hat einiges an arkaner Begabung“, fuhr der Vampir fort.
„Ich dachte, Frauen hätten so etwas nicht und Logen seien nur für Männer?“
„Menschen neigen dazu, das schöne Geschlecht zu unterschätzen. Doch ich kann Sie beruhigen, ein solches Talent ist nicht
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