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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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lassen? Es wäre sicher zu aufwendig, sie zurückzuholen, nur um sie dann in einem Käfig verhungern zu lassen? Sie hätte damals als Kind darauf bestehen sollen, eine Voliere statt eines Vogelkäfigs zu bekommen. Zum einen hätte sie dann jetzt mehr Platz, zum anderen gäbe es vielleicht noch Vögel darin …
    Die Bestie hatte sie in eine Katze zurückverwandelt, und sie schien nun gleichsam katziger als zuvor. Sie stemmte sich erneut gegen die Gitterstäbe und fauchte, als außer Knarren und Quietschen nichts geschah.
    „Noch einmal in die Bresche!“ Miss Colpin hatte sie Shakespeare lesen lassen. Nun ja, nicht wirklich Shakespeare, sondern die moralisch bereinigten Versionen für Kinder, geschrieben von Lamb. Doch Catty hatte auch schon richtige Shakespearestücke gelesen, mit ihrer letzten Gouvernante, der vor Miss Colpin. Heinrich V. und MacBeth. Aus dem ersten Stück hatte sie die Rede des Königs auswendig lernen müssen, aus dem letzteren die Hexenszenen. „Das ist wichtig“, hatte ihre damalige Lehrerin gesagt und dass es darin um Macht und Machtmissbrauch ginge.
    Nicht, dass ihr das jetzt irgendwie weiterhalf. Sie stemmte sich erneut gegen die Gitter. Irgendetwas knackte. Ihr Mut wuchs. Mit den Pfoten, die wie sie fand entschieden untauglich für diese Aufgabe waren, trat und stieß sie wild um sich.
    Eine Öffnung. Es war nur eine winzige Öffnung. Doch sie war auch nur eine kleine Katze.
    Ihren Kopf hindurchzubekommen war am schwierigsten. Der Spalt weitete sich bei dem Versuch noch ein wenig, und einer der zerbrochenen Gitterstäbe kratzte an ihrer Wange entlang und bis in ihre Haut. Es blutete, und Catty machte sich unwillkürlich Sorgen, wie sie ihr Fell an der Stelle wieder sauber bekommen sollte. Dann schalt sie sich für einen solch unnützen Gedanken mitten in einem Fluchtversuch. Wenn alles nichts half, konnte sie es ja immer noch mit ... Wasser versuchen.
    Von draußen blickte sie zurück auf den Käfig und begriff nicht, wie sie herausgekommen war. Die Öffnung sah nicht groß genug aus.
    Einerlei. Was nun? Sie konnte die Tür zum Flur öffnen, doch das würde sie nur näher zu Lucilla bringen, deren überwältigende Präsenz jeden Zoll des Hauses bestimmte. Plötzlich hatte sie Angst, ihre Stiefmutter könnte spüren, dass sie sich nicht mehr im Käfig befand, sondern mit den Pfoten auf dem Teppich stand. Sie erstarrte in der Bewegung. Was sollte sie nur tun?
    Das Fenster bot keine Alternative. Sie konnte es nicht öffnen. Selbst wenn, mochte sie immer noch nicht Katze genug sein, um von so weit oben bis nach unten zu klettern.
    Sie brauchte einen Fluchtweg. Irgendetwas wie das Loch im Zaun, durch das sie in jener Hintergasse entkommen war. Sie brauchte ein Loch in diesem Raum, durch das sie aus Lucillas Territorium schleichen konnte. Etwas, das ihr wenigstens eine Chance gab. Lucilla konnte jeden Augenblick hier sein und sie außerhalb des Käfigs vorfinden. Sie war so nah, so durchdringend existent, so überall vorhanden, hier und dort, selbst in der Luft. Catty flüchtete ihre Konzentration in die Worte des Barden: „ Ha, mir juckt der Daumen sehr, etwas Böses kommt hierher! … Öffnet mir, wer immer hier … “
    Sie spürte ihn, noch ehe sie ihn sah. Einen weißen Spalt im Mittelpunkt der Wirklichkeit, eine winzige Lücke, ein Ort, an dem der Raum nicht mehr Raum war sondern Ausgang, als hätten die merkwürdigen Linien, die sie um sich herum auf einmal wahrnahm, die Gitterstäbe des faktischen Seins auseinandergebogen. Wo diese Lücke auf einmal herkam, wusste sie nicht, auch nicht, wohin sie führen mochte. Außerdem war sie zu eng.
    Catty wandte sich noch einmal um und besah sich die winzige Öffnung im Drahtkäfig, durch die sie gepasst hatte. Sich allerdings durch ein Loch in der Welt zu quetschen war gewiss um einiges gefährlicher. Sie wusste nicht, wohin es sie bringen würde, und zudem sollte die Welt keine Löcher haben. Sie war ein Ort, der von physikalischen Gesetzen bestimmt wurde, und Löcher waren darin gewiss nicht vorgesehen.
    Allerdings sollten freundliche junge Herren auch keine Riesenspinnen sein – wenn man es vom Standpunkt physikalischer Gesetze aus betrachtete, und Stiefmütter sollten schon gar nicht sein … was immer Lucilla auch war, es war gewiss nicht mütterlich.
    Von der anderen Seite der Lücke hörte sie eine mutlose Männerstimme.
    „Nun, wenn Sie es nicht größer hinbekommen, wird es nicht viel nützen.“
    Das klang menschlich. Es war nicht

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