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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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der Oberfläche die wirkliche Wahrheit zu erkennen und zwischen den Zeilen zu lesen. Wenn sie einen fragte ‚Wie fühlst du dich? ‘ , dann war das keine leere Grußfloskel, sondern sie erwartete einen dezidierten Bericht darüber, was man empfand und warum. Anstrengend war das gewesen, und Catty war das Gefühl nicht losgeworden, dass Fräulein Draiss die ganze Zeit darauf wartete, dass Catty plötzlich irgendeine unfassliche Eingebung haben würde. Doch meist war sie nur gelangweilt gewesen von all dem tiefschürfenden Seelengegrabe.
    Was Naturwissenschaften anging, so hatte die Lehrerin wenig Ahnung. Das war es auch, was zu ihrem Scheiden führte. Das und ihre Astrologiekarten. Humbug hatte ihr Vater es genannt und war der Meinung gewesen, dass diese Art von Einfluss nicht gut für seine Tochter sein konnte.
    So war sie nun vom Zimmer der einen Gouvernante ins Zimmer der anderen gekommen. Sie hoffte inständig, sie würde nicht wieder in einem Vogelkäfig landen. Wenn doch, dann sollte er wenigstens noch den einen oder anderen Vogel beinhalten.
    Wieder hob sich die Taschenklappe, und Catty versuchte sich ins Freie zu kämpfen, wurde aber etwas schroff zurück in die Tasche gestopft.
    „Oh nein. Du fängst jetzt nicht an, hier herumzulaufen. Wo bringe ich dich am besten unter?“
    Catty jaulte. Sie hoffte, das würde ihre Unzufriedenheit mit ihrem derzeitigen Aufenthaltsort klären.
    „Ah“, sagte Fräulein Draiss. „Du kommst in den Korb.“
    Catty versagte es sich, ihre einstige Lehrerin zu kratzen, während diese sie aus der Tasche hob. Fräulein Draiss würde das nicht mögen, und ein ungehaltenes Fräulein Draiss war, wie sie sich sehr wohl erinnerte, nichts, was einem irgendwelche Freude bereitete. Sie sah den Korb und hätte gegrinst, wenn sie gekonnt hätte. Sie mochte Körbe ohne Deckel. Ganz brav ließ sie sich hinein setzen, streckte sich darin gemütlich aus, als beabsichtige sie absolut nicht, den Ort jemals freiwillig wieder zu verlassen. Sie bedachte ihre neue Gastgeberin mit einem unschuldigen Blick und erntete dafür ein extrem sarkastisches Lächeln.
    Die Frau drehte sich um und wühlte in irgendetwas. Einen Augenblick später senkte sich ein Backblech über den Korb, und dann wurde dem Geräusch nach etwas Schweres daraufgelegt.
    Catty fauchte und kratzte an dem unerwarteten Deckel über ihr.
    „Du hast doch wohl nicht gedacht, ich würde dich hier frei herumstreunen lassen?“, fragte Fräulein Draiss in genau demselben Ton, den sie immer verwandt hatte, um nach ihren Fleißaufgaben zu fragen. „Dass du da drin ja keinen Dreck machst.“
    Nun, eine Wahl, woanders Dreck zu machen, war ihr nicht gegeben. Fräulein Draiss hatte sich nicht verändert. Sie war voller Wissen, Ideen und Wohlanständigkeit, doch ihre praxisbezogene Logik reichte nicht sehr weit.
    Catty jammerte und klagte.
    „Wirst du wohl still sein!“
    Nein. Sie würde gewiss nicht still sein, bis sie endlich etwas zu essen bekam. Catty jaulte. Durch ihren eigenen Lärm hörte sie weiteres Herumsuchen. Durch die Spalten des Flechtwerks konnte sie sehen, wie die Frau etwas aus einem Schrank hervorzog. Dann wurde es dunkel in ihrem Gefängnis, als eine Decke über den Korb gebreitet wurde. Catty schrie noch einmal beleidigt auf.
    „Nun sei schon still!“, lautete der letzte Befehl, dann ging Fräulein Draiss wieder ins Zimmer nebenan, und die Klavierstunde ging weiter. Nach einiger Zeit begann Catty, ihre einstige Lehrerin zu bedauern. Es musste die Hölle sein, so musikalisch zu sein und so unmusikalische Schüler zu haben. Die Decke dämpfte den Klang nicht allzu sehr.
    Catty war dankbar, dass die Stunde nicht mehr lange dauerte. Sie hörte schließlich eine Tür gehen und hoffte auf einen Imbiss. Schritte näherten sich der Küche, doch dann klingelte es erneut, und kurz darauf klimperte bereits ein neuer Schüler Tonleitern hinauf und hinunter, eine Stunde lang, die ihr wie eine Ewigkeit erschien. Ein gutes Gehör war nicht eben ein Segen, wenn man einem Anfänger beim Üben zuhören musste. Natürlich hätte es schlimmer sein können, Catty war ausnehmend dankbar dafür, dass Fräulein Draiss nicht Violine unterrichtete. Fingerübungen auf Katzendarm hätte sie weder aus musikalischen, noch aus ethischen Gründen ertragen können.
    Auch diese Stunde neigte sich dem Ende zu, und wieder hoffte Catty auf Nahrung. Als die Türklingel erneut ging, jaulte sie aus schierer Verzweiflung. Noch ein Schüler hieß, dass sie

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