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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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mit Asnahid reden, bevor er etwas Drastisches unternahm.
    Einen Augenblick lang betrachtete er noch das Haus, dann sah er sich auf der Straße um.
    Er erblickte die Katze, als sie aus dem Fenster sprang, und im nächsten Moment verschmolz er mit seiner Umgebung. Das Kätzchen rannte an der Mauer entlang, die den winzigen Vorgarten eines einfach aussehenden Mietshauses einzäunte, sprang dann auf die Straße und schoss geradewegs auf das Logengebäude zu. Die Katze hatte ihn fast erreicht, als sie seiner gewahr wurde, wie er da mitten im Sonnenschein im eigenen Schatten verborgen stand.
    Sie versuchte anzuhalten, schlitterte und krallte über den Boden, jaulte und drehte sich um – alles in einem einzigen Augenblick. Schon war sie flugs in die entgegengesetzte Richtung unterwegs, ohne noch auf den Fuhrverkehr zu achten. Einen Augenblick später war der Bierwagen, den vier gigantische belgische Kaltblüter zogen, schon über ihr. Sie schrie.

Kapitel 70
    Thorolf hatte sich stundenlang nicht mehr bewegt. Nur dagelegen hatte er. Er war nicht vollständig wach und fühlte sich trotz der Schmerzen seltsam leicht im Kopf. Seine Gedanken schwammen wie Strandgut auf den Wellenhügeln der Unwirklichkeit. Das Leben schien wie ein allzu fernes Ufer. Er glaubte – ohne sich dessen sicher zu sein – dass wohl einige Stunden verstrichen sein mussten seit jenem schicksalhaften Besuch des kaltherzigen Arztes am Morgen. Ganz nebenbei zu erfahren, dass man im Sterben lag und für nichts mehr taugte als für den Autopsietisch war mehr als nur kränkend. Es war vernichtend.
    Er fühlte sich zerstört. Verzweifelt, hilflos und doch auch zugleich wütend.
    Wenn man starb – so hatte er immer geglaubt –, dachte man noch mal über sein Leben nach und bereute seine Untaten. Er wünschte sich, er könnte das, hätte sich sogar über geistlichen Beistand gefreut, über einen Priester, der ihm die Beichte abnehmen und ihn auf die Ewigkeit vorbereiten würde. Doch es kam niemand, und er gestand sich ein, dass sein Bedürfnis zu beichten nicht so sehr der Reue ob seiner Sünden entsprang, als vielmehr dem brennenden Wunsch, irgendjemandem zu sagen, dass er niemanden ermordet, die junge Frau nicht angegriffen hatte. Er war unschuldig.
    Ein Priester würde das nicht hören wollen, würde schlimmstenfalls glauben, er lüge selbst so nah am Tode noch. Er mochte ihm die Vergebung versagen, wenn er zu dem Schluss kam, Thorolf spräche noch auf dem Totenbett die Unwahrheit. Der Gedanke, ein Beichtvater würde die Polizei informieren, dass diese vielleicht einen Fehler gemacht hätte, war abwegig. Niemand mochte Schurken, die des Nachts Frauen angriffen. Niemand bezweifelte seine Schuld.
    Die Tür hatte sich hinter dem Mediziner und dem Beamten geschlossen, und die Minuten waren in quälender Langsamkeit dahingezogen. Wie zäher Sirup troff die Erkenntnis ob der Unglaublichkeit seines Schicksals in seinen Sinn, breitete sich darin aus und füllte ihn mit Schatten. Dennoch war er immer noch bei Bewusstsein, zu schwach und auch zu stolz, um Hilfe zu erflehen. Was man ihm anlastete war so ungeheuerlich, dass niemand ihm wohlwollend zuhören würde, auch wenn das Verlangen sich mitzuteilen ihm auf der Seele brannte. All dies war falsch.
    Warum gestanden sie ihm nicht einmal einen Priester zu? Dies war ein katholisches Land. Er war Katholik, war in einer guten katholischen Knabenschule erzogen worden. Wenn man dem Tod entgegenschritt, sollte man immerhin die letzte Ölung empfangen. Selbst verurteilten Mördern gestand man dieses Recht zu, diese letzte Chance für Reue und Buße, und er war weder verurteilt, noch ein Mörder. Wie lange wollte man ihn denn darauf noch warten lassen?
    Er krallte die Finger in die Holzpritsche. Allein. Kein Arzt, kein Gefängniswärter, kein Pfarrer, kein letzter Besucher, kein letzter Wunsch. Nicht einmal seine Mutter war gekommen. Vielleicht hatte man sie noch gar nicht über seine angebliche Schuld informiert?
    Was für eine abartige Art zu sterben! Außerdem zu so einem gänzlich unopportunen Zeitpunkt. Sein ganzes Leben hatte er unbewusst nach jenem einen Mädchen gesucht. In seinem Kopf hatte es gelebt, in seinen Träumen war es gewandelt, und er hatte niemals mit der Möglichkeit gerechnet, dass es tatsächlich existieren könnte.
    Nun wusste er es. Catty war wirklich. Sie brauchte ihn, und er war nicht da. Die wenigen kostbaren Minuten, die er mit ihr verbracht hatte, hatte er zunächst mit Panik verschwendet, dann

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