Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
nicht gedachte er, irgendwelchen übernatürlichen Hokuspokus einfach so zu akzeptieren.
Er starrte auf die eleganten, schmalen Hände, die seine eigenen hielten. Ein Siegelring zierte die Linke. Die Fingernägel liefen spitz zu und wirkten ein wenig ungewöhnlich, zu gebogen, zu schmal. Fast hatten sie etwas von Krallen. Er blickte hoch in das Gesicht des ungarischen Grafen, der vorgab, sein Vater zu sein. Sein Haar war nach vorne gefallen und gab den Blick auf ein leicht spitzes Ohr frei. Mit so viel Distanziertheit wie möglich studierte er die ebenmäßigen Gesichtszüge des Mannes. Er war schlanker und möglicherweise schmaler gebaut als Thorolf, doch genauso groß. Wenn er lächelte, ähnelte sein Mund dem seines angeblichen Sohnes.
„Ich weigere mich, solchen Unfug zu glauben!“, zischte er und suchte Zuflucht in dem Ärger, der ihn durchdrang. Es war leichter, wütend zu sein, als irgendetwas von dem Gesagten anzunehmen. Wut blockierte Schmerz.
Ein Schatten fiel über den Tisch, und beide sahen hoch.
Lena, das Modell, stand neben ihnen, ein Glas Wein in der Hand, ihr Mieder weit heruntergezogen. Sie sah von einem Mann zum nächsten und dann auf die Hände, die sie über den Tisch hinweg hielten. Beide Männer sahen ihr anerkennend ins Dekolletee.
„Jetzt weiß ich auch, warum Sie keine Pause wollten“, sagte sie verächtlich. „Sie gehören zu den ganz anderen. Sie sollten männliche Modelle malen, schätze ich.“
Dann drehte sie sich um und schlenderte von dannen, wobei sie die Hüften schwang.
„Sie ruinieren meinen Ruf, Graf Arpad!“, zischte Thorolf
„Deinen Ruf als Frauenheld? Ich weiß von deinen Abenteuern. Mein Erbe, schätze ich.“
Thorolf ignorierte den Kommentar.
„Mein Ruf als …“
„Mach dir keine Sorgen. Sie hat die Begegnung bereits vergessen. Menschliche Gedanken sind so leicht zu manipulieren.“
„Ach ja? Warum können Sie mich dann nicht dazu bringen, diesen Humbug zu glauben?“
„Kann ich. Ich hoffe nur, dass es nicht nötig sein wird. Du bist mein Sohn. Ich würde mit dir viel lieber offen und ehrlich umgehen. Aufrichtigkeit ist mir ein Anliegen bei den Menschen, die ich schätze und die ich zu respektieren suche.“
„Muss ich vielleicht auch noch dankbar sein?“
„Bitte. Gern geschehen.“
„Nichts ist geschehen, und schon gar nicht gern.“ Thorolf wand seine Hände aus dem Griff des anderen Mannes und stand auf. „Sie haben mir eine Menge zu denken gegeben, Graf Arpad, selbst wenn das meiste vermutlich kompletter Humbug ist. Ich werde mich jetzt von Ihnen verabschieden. Lassen Sie mich Ihnen versichern, ich lege keinen Wert darauf, Sie noch einmal zu treffen.“
Der dunkle Mann schenkte ihm ein trauriges Lächeln.
„Ich weiß. Doch das nützt nichts. Ich bleibe dir erhalten. Ich und die Erkenntnis, dass die Welt anders ist, als du sie dir vorgestellt hast. Nimm es doch einfach als Inspiration. Herrn von Schwind ist das gelungen, als er mit den Wesen des Waldes eine Nacht durchtanzte, Wesen, die er nicht definieren konnte und von denen er schon am nächsten Morgen nichts mehr wusste.“
Thorolf starrte den Mann an.
„Er hat was?“
„Richtig glücklich war er seitdem nie mehr. Die Menschenwelt kann so enorm abgeschmackt sein.“
„Woher wissen Sie das?“
„Dass die Menschenwelt abgeschmackt sein kann?“
„Woher wissen Sie um das angebliche Abenteuer Professor von Schwinds?“
„Ich weiß es einfach.“
„Ich glaube Ihnen nicht.“
„Ich weiß. Ich weiß. Das ist ein Problem. Ich werde mich wieder bei dir einfinden, und dann werden wir unser Gespräch fortführen. Ich rate dir dringend, nichts von alldem auszuplaudern.“
„Halten Sie mich für dumm?“
„Ich halte dich für einen temperamentvollen, sturen jungen Mann. Jetzt geh heim und schlaf über die Sache. Ich werde wissen, wo ich dich finden kann. Sei vorsichtig.“
Thorolf war schon in Richtung Tür gegangen, als ihm auffiel, dass er sich so väterlich nicht behandeln lassen wollte. Er wandte sich um, doch der Tisch war leer. Er hielt die Bedienung auf.
„Hast du gesehen, wohin der Herr gegangen ist, der an meinem Tisch saß?“
„Da habe ich niemanden gesehen“, antwortete sie. „Ich dachte, Sie wären allein?“
Er zahlte und gab ihr ein Trinkgeld. Dann ließ er den Blick noch einmal durch den Raum schweifen. Die Künstler diskutierten immer noch und tranken Wein. Graf Arpad war nirgends zu sehen.
„Gottverdammter Mist!“, murmelte er und verließ das
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