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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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stärker oder geschickter war als andere.
    Die unregelmäßigen Pflastersteine pressten sich in seinen Rücken. Krallen glitten ihm ins Fleisch, und Thorolf schrie vor Schmerz. Er versuchte, die vielen Beine des Wesens fortzuhalten, doch die scharfen Dornen schnitten in seine Hände. Ein breites, mit Mandibeln und Zähnen bewehrtes Maul berührte beinahe seinen Mund.
    „Du willst mich aufhalten?“, tönten zwei ärgerliche Stimmen in seinem Geist. „Wer glaubst du, dass du bist?“
    Thorolf stöhnte. Der Schmerz, der ihn durchdrang, war allgegenwärtig. Er spürte, wie sein Blut aus ihm herausfloss. Die Spinne verlagerte ihr Gewicht, suchte neue Stellen an seinem Körper, in die sie ihre Krallen hieb. Großer Gott, das tat weh! Er spürte, wie seine Muskeln zerschnitten wurden, seine Sehnen wie Gummibänder rissen. Adern wurden zerfetzt. Die Übermacht der Pein kostete ihn beinahe das Bewusstsein.
    „Du hättest dich nicht einmischen sollen“, sagte die Stimme. „Jetzt gehörst du mir.“
    Thorolfs Schrei erstarb, als die furchtbaren Schmerzen sein ganzes Wesen erfüllten. Agonie. Diesmal waren es nicht die Klingenkrallen, die ihm ins Fleisch schnitten, sondern ein Bewusstsein mähte durch seine Seele und zog und sog daran.
    Er begriff, dass er starb, spürte die Schwärze eines Wirklichkeit gewordenen Alptraums, der ihn einhüllte. Seine Gliedmaßen hatte längst aufgehört, sich zu wehren, gehorchten seinen Befehlen nicht mehr. Er konnte nur still da liegen und dem Wesen gestatten, ihn all dessen zu berauben, was es ihm nehmen wollte. Es war das zweite Mal an diesem Abend, dass er nicht mehr Meister seines Leibes war. Doch diesmal hatte er nicht nur die Bewegungsfreiheit eingebüßt. Vielmehr verlor er sein Leben.
    Die Fey gab es nicht?
    Es war nicht die Angst, die ihn lähmte. Er konnte sie nicht leugnen, doch sie schien zurückgedrängt an den Rand seines Bewusstseins, als lauere sie dort, um sich seiner zu bemächtigen, sobald Verzweiflung und Wut dafür Platz ließen. Angst beinhaltete immer auch die Erwartung von Schlimmerem, und Schlimmeres konnte er sich nicht mehr vorstellen.
    Was für eine Nacht! Was für eine erniedrigende Art zu sterben.
    Was für ein schlechter Zeitpunkt, noch ehe er mehr über sich herausfinden konnte, und wie peinlich für einen modern denkenden Mann, daran zu sterben, dass einen ein überdimensioniertes Spinnenwesen aussaugte.
    Er hätte das Mädchen küssen sollen, durchzuckte es ihn. Einmal nur. Eine weitere Gelegenheit würde es nicht geben. Er würde ihren süßen, grazilen Leib nie mehr in den Armen halten.
    Sein Leben für ihres. Er wünschte sich, er könnte nur noch einmal in die topasfarbenen Augen sehen. Doch es wurde so dunkel. Er schien zu fallen.
    Mit einer jähen Bewegung sprang die Spinne von ihm und kratzte dabei neue Spuren in seine Haut.
    „Geh!“, befahl eine dunkle Stimme. „Du bekommst ihn nicht.“
    „Er gehört mir. Er hat meiner Beute zur Flucht verholfen.“
    „Erzähl mir nicht, du findest deine Beute nicht wieder. Ihn bekommst du nicht. Du weißt warum.“
    Die Spinne schnaufte verdrießlich und klang menschlich dabei. Thorolfs Sicht schien klarer zu werden, und er erkannte den Fremden, der behauptete, sein Vater zu sein. Die schmalen Fingernägel, die ihm im Café aufgefallen waren, hatte der Mann nun zu langen, gebogenen Krallen ausgefahren. Lange Eckzähne blitzten in seinem Mund. Sein dunkles Cape war nach hinten über die Schultern geworfen. Thorolf sah es wie ein Bild von weither. Ein exzellentes Motiv. Die Silhouette eines Nachtjägers im Licht des Mondes. Thorolfs Seele trudelte, als wäre sie nicht mehr ganz bei ihm. Er lag im Sterben. Wie schade, nun konnte er den Kampf der beiden Schattenwesen nicht mehr malen.
    „Er hat quasi kein Fey-Erbe. Seine Seele schmeckt menschlich.“
    „Du bekommst seine Seele nicht. Gib zurück, was du ihm genommen hast und verschwinde. Er gehört mir.“
    „Was für einen Unterschied macht es schon, ob ich ihm die Seele oder du ihm sein Blut aussaugst? Such dir deine eigene Beute!“
    „Er ist mein Kind. Geh!“
    „Du würdest es auf einen Kampf mit mir ankommen lassen?“
    „Natürlich.“
    „Du würdest verlieren!“
    „Ich würde einen Kampf um das Leben meines eigenen Sohnes nicht verlieren.“ Die dunkle Stimme klang sanft, doch die Überzeugung darin war unbeugsam.
    Das Spinnenwesen zischte vor Ärger. Es waberte wie ein Weberknecht und näherte sich dann wieder behutsam. Thorolf versuchte,

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