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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Zauberkloster von innen aussieht.“
    Ian erhob sich und holte seinen Mantel.
    „Geh du in deine Akademie und male was Schönes. Ich werde dein Angebot nur annehmen, wenn es die einzige Überlebensmöglichkeit ist. Ich sehe dich heute Abend, Treynstern – denke ich doch.“
    Der Schotte schmunzelte und machte sich auf den Weg.
    Thorolf hätte der Neigung, zu Hause zu bleiben und düster zu grübeln, allzu gerne nachgegeben, doch seine Anwesenheit an der Akademie wurde erwartet, und er sortierte seine Prioritäten mit einer eisigen Gelassenheit, von der er nicht gewusste hatte, dass er sie besaß. Seinen plötzlichen Launen nachzugeben war einfacher gewesen, als er noch Jura studierte.
    Eine Stunde später stand er vor seiner Staffelei, zusammen mit einer Handvoll weiterer junger Künstler und einem trockenen Professor von Schwind. Trotz all der Brillanz des großen Künstlers war er kein besonders guter Lehrer, kommentierte säuerlich, wo er ermutigen sollte, und hielt giftige Strafpredigten, anstatt positive Kritik zu üben.
    Thorolf schien er zu mögen. Doch nicht einmal darüber konnte sich Thorolf heute freuen, da er mit einem Mal den Verdacht hegte, dass diese Sympathie nichts mit seinem künstlerischen Können, sondern vielmehr mit der verschütteten Erinnerung an einen nächtlichen Tanz mit den Fey zu tun hatte. Auch wenn die Szene wirklich schwer vorstellbar war, wenn man sich den rundlichen Herrn um die Sechzig mit den leicht hervorstehenden Augen und dem trügerisch weichen Mund so ansah. Vielleicht erinnerte Thorolf ihn nur an das Vergessene, war nichts als ein schönes Andenken, an etwas, das er nicht ganz greifen konnte.
    Oder es mochte das Wohlwollen eines Landsmannes sein, der seit fast vierzig Jahren nicht mehr in seiner Heimat lebte und der in dem jungen österreichischen Künstler ein Spiegelbild seiner selbst sah. Auch von Schwind war damals aus Österreich nach München gekommen, um hier zu studieren.
    Ihre Geschmäcker waren nicht sehr verschieden. Thorolf mochte die Märchenszenen, die sein Professor auf die Leinwand bannte. Er selbst wollte im selben Genre brillieren. Legenden, Märchen, Sagen. Helden und Heldinnen aus uralten Zeiten. Ritter und edle Damen. Übernatürliche Kreaturen, die im Wald und in den Hügeln lebten. Mondlichtszenarien mit nebulösen Tänzerinnen, die sich anmutig durch die Dunkelheit bewegten. Sein Kopf war voll von solchen Bildern, die darauf warteten ans Licht gebracht zu werden. Er hatte sie immer für die Produkte einer besonders eifrigen Phantasie gehalten.
    Vielleicht waren sie das auch.
    Er hätte so gerne nicht geglaubt, was er in der letzten Nacht erlebt hatte. Zu viel Wein im Tombosi wäre eine willkommene Erklärung. Doch seine zerrissene, blutbefleckte Kleidung belegte deutlich, dass mehr geschehen war als ein Glas zu viel und ein Sturz vom Fahrrad. Die Menge von Blut und die Erinnerung an die langen Krallen in seinem Fleisch standen im krassen Gegensatz zu seiner glatten, verheilten Haut und seinem gesunden Körper. Er hatte sich am Morgen sorgfältig inspiziert. Die Spinnenklauen waren in ihn hineingefahren, hatten sein Fleisch mit der Präzision eines Metzgers zerschnitten. Doch gab es keine Wunden. Nicht einmal Narben. Nur an manchen Stellen schien seine Haut heller zu sein, zeigte blasse Spuren von Schmerz und nahem Tod.
    Von Schwind hatte mit den Fey getanzt, und aus diesem Grunde malte er süße, entzückende Bilder. Thorolf war eine ungeplante Mahlzeit gewesen. Er fragte sich, was er malen würde.
    Er legte den Pinsel nieder und nahm Skizzenbuch und Bleistift zur Hand. Er sollte besser keine teure Leinwand vergeuden an einem Tag, an dem sein Kopf zu voll war, als dass er sich recht hätte konzentrieren können. Seine Hand flog mit schnellen präzisen Strichen über das Papier.
    Er merkte erst nach einer Weile, dass von Schwind neben ihm stand und ihm zusah.
    „Wollten Sie nicht heute mit Öl anfangen?“, fragte von Schwind ungehalten.
    Thorolf sah auf und begegnete dem kritischen Blick.
    „Tut mir leid. Ich scheine heute nicht in der Verfassung für ein solches Unterfangen zu sein.“
    „Zu viel Wein im Tombosi?“ Eine unfreundliche Kritik.
    Thorolf schüttelte den Kopf.
    „Nein, nur eine schlaflose Nacht.“
    „Ich erinnere mich. Sie sind früh gegangen. Ich war es, der sich allzu spät davonmachte. Lassen Sie mal sehen. Ein attraktiver Mann. Aus dem Gedächtnis oder aus der Phantasie?“
    „Aus dem Gedächtnis.“
    „Merkwürdig. Wie ein

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