Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
dazu gehört schon noch mehr. Vielleicht bin ich ja eine der Frauen, die keine mütterlichen Instinkte haben. Das ist doch möglich, oder?«
Jonathan schüttelte den Kopf. »Nein, das kann nicht stimmen. Sie sind eine warmherzige, sensible und einfühlsame Frau. Das Gefühl von Mütterlichkeit wird sich von ganz allein einstellen, wenn die Zeit reif ist.«
»Sie wirken immer so natürlich, wenn Sie mit Marlee zusammen sind.«
»Ich bin mir mit Marlee anfangs auch merkwürdig vorgekommen.« Jonathan dachte einen Moment nach. »Sie müssen sich Kinder als kleine Erwachsene vorstellen und sie entsprechend behandeln. Sie sind erstaunlich klug.«
»Das merke ich mir«, sagte Erin. Sie war Jonathan dankbar dafür, dass er sie weder ausgelacht noch verurteilt hatte. Seine Verlobte muss eine sehr glückliche Frau sein, dachte sie. Hoffentlich weiß sie ihn zu schätzen.
»Wollen Sie später einmal eigene Kinder haben?«, fragte Jonathan sanft.
»Ich … ich denke schon, aber der Tag ist wohl noch sehr weit weg.« Andy hatte sofort nach der Hochzeit Kinder mit ihr haben wollen, und sie hatte mit der Idee nicht allzu viel anfangen können. »Die Arbeit hat in meinem Leben oberste Priorität.« Hörte sich das egoistisch an?
»Mit Opalen zu handeln ist ein eher ungewöhnlicher Beruf für eine Frau«, bemerkte Jonathan.
»Da haben Sie wohl recht«, gab Erin zu. »Aber es macht mir großen Spaß.«
»Vermissen Sie die Arbeit mit der Kunst?«
»Ja, allerdings. Die Galerie vermisse ich sehr. Ich hatte übrigens Gelegenheit, mir hier in der Stadt einige Kunstwerke der Aborigines anzusehen. Manches davon ist wirklich sehr gut.«
Jonathan fiel auf, dass Erin voller Leidenschaft sprach, wenn es um Kunst ging. »Mir sind ein paar Künstler aufgefallen, die draußen in der Nähe der Todd Street arbeiten. Ich muss zugeben, ich habe keine Ahnung von Malerei, ich fand ihre Arbeiten jedoch sehr reizvoll.«
»Ich habe vor, einige Bilder zu erwerben.«
»Das scheint mir eine gute Idee zu sein«, erklärte Jonathan begeistert. »Ich begleite Sie gern, wenn Sie zu dem Zweck in die Stadt wollen.«
»Schön. Um die Sachen nach Hause zu transportieren, kann ich Ihren Wagen gut gebrauchen«, erwiderte Erin begeistert.
»Es dürfte kein Problem sein, die Bilder nach England zu schaffen.«
»Ich … ich weiß nicht genau.« Ein Anflug von Panik überzog Erins Gesicht. Sie war nicht sicher, ob sie die Aufmerksamkeit der Medien schon ertragen konnte.
Jonathan spürte ihren Gefühlsaufruhr. »Stimmt etwas nicht, Erin?«
»Ach, es gibt gerade ein paar familiäre Probleme«, antwortete sie ausweichend.
»Sie erwähnten einen Bruder und Ihren Vater. Aber über Ihre Mutter haben Sie noch nicht viel gesagt.«
»Sie starb im Frühling ganz plötzlich«, sagte Erin. Schmerzliche Gefühle kamen in ihr hoch. Sie vermisste ihre Mutter schrecklich. »Sie war der Grund dafür, dass die Galerie gegründet wurde. Sie war eine äußerst talentierte Künstlerin, berühmt in ganz Europa und immer bescheiden. Durch ihre Gemälde wurde die Galerie so erfolgreich. Wie es jetzt weitergeht, weiß ich nicht, zumal mein Vater mit den Gedanken ganz woanders ist.«
»Er kann sicher nur schwer mit dem Verlust umgehen.«
Erin zögerte einen Moment. »Es gibt zwei Möglichkeiten, seine gegenwärtige Gemütsverfassung zu beschreiben. Entweder geht er erstaunlich gut mit dem Verlust um, so gut, dass er sich schon auf eine neue Beziehung einlassen konnte. Oder er hat völlig den Verstand verloren. Mein Bruder Bradley und ich halten die zweite Variante für wahrscheinlicher.«
Jonathan runzelte die Stirn. »Ich nehme an, Sie sind im Moment nicht sehr glücklich mit Ihrem Vater.«
»Ich bin enttäuscht, wütend, besorgt …« Erin seufzte. »Dadtrifft sich mit einer Frau namens Lauren Bastion. Sie steht im Ruf, reiche Männer zu heiraten, nur um sich schnell wieder von ihnen scheiden zu lassen. Bradley und ich glauben, sie hat sich meinen Vater ganz bewusst zu einer Zeit als Opfer ausgesucht, in der er besonders verletzlich war. Das will er aber nicht einsehen. Er hält Lauren für einen Menschen mit einem guten Herzen«, fuhr sie sarkastisch fort. »Bradley und ich haben unsere Meinung ganz offen gesagt. Unsere Mutter war erst zwei Monate tot, als Lauren auf der Bildfläche erschien, was abgesehen von allem anderen einfach zu früh war. Anfangs behauptete Dad, sie sei nur eine gute Freundin, doch schon da schrieben die Zeitungen hämische Kommentare zu ihrer
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