Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
endlich mehr als nur einen Freund sehen.
»Das wäre wunderbar, Will, aber … ich habe solch einen Appetit auf Fisch. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir stattdessen in die Todd Tavern gingen?«
Erins Vorschlag kam für Will völlig überraschend. Er hatte den Eindruck gehabt, dass sie vom Essen in der Todd Tavern nicht gerade begeistert gewesen war. »Ach … na schön«, erwiderte er enttäuscht. Seine romantischen Pläne hatten sich binnen Sekunden in Luft aufgelöst. Doch dann hatte er eine Idee. »Vielleicht könnten wir ja anschließend zum Aussichtshügel fahren.« Er würde Wein mitnehmen und während sie die Sterne betrachteten, hoffentlich einen oder zwei Küsse bekommen.
»Vielleicht«, sagte Erin, ahnend, was Will vorhatte. Sie mochte ihn, aber sie war sich nicht sicher, ob sie sich in ihn verlieben könnte.
»Dann hole ich Sie um sieben ab.«
Will hatte damit gerechnet, dass Erin seine Einladung ausschlagen würde, so war er erleichtert, dass sie wenigstens zugestimmt hatte.
In der Todd Tavern drängten sich die üblichen Gäste – Einheimische, die sich ungehobelt ausdrückten und deutlich lässiger gekleidet waren, als es Erins Geschmack entsprach. Sie gingen gleich durch zum Speisesaal, wo es wenigstens den Anschein von Stil gab. Die Tische waren mit weißen Leinentischdecken und Silberbesteck gedeckt, womit das Essen allerdings nicht Schritt halten konnte.
Erin musterte die Gäste und stellte sofort enttäuscht fest, dass Jonathan und seine Begleitung nicht unter ihnen waren. Ein Kellner wollte sie mitten in den Saal setzen, doch Erin bat um einen Tisch in einer ruhigen Ecke. Auch das überraschte Will, zumal der Tisch, den sie dann aussuchte, bei Weitem nicht der beste war. Vielleicht wollte sie aber auch nur mit ihm allein sein, und das wäre nun etwas wirklich Positives.
Erin bestellte den Fisch, der tiefgefroren aus Darwin angeliefert worden war und auf der Speisekarte doch als »frisch« beschrieben wurde, doch sie hatte keine andere Wahl. Sie hatte ja behauptet, der Fisch sei der Grund, weshalb sie im Todd essen wollte. Will bestellte gegrilltes Steak. Sie hatten der Kellnerin gerade die Speisekarten zurückgegeben, als Erins Blick auf Jonathan fiel, der am anderen Ende des Speisesaals einer Frau den Stuhl zurechtrückte und sich dann setzte.
»Hat Jonathan von der Verhandlung erzählt?«, fragte Will. Er konnte Jonathan von seinem Platz aus nicht sehen.
»Äh … Verzeihung?« Erin war so in Gedanken, dass sie die Frage nicht verstanden hatte.
»Die Verhandlung«, sagte Will. »Hat Jonathan erwähnt, wie es gelaufen ist?«
»Ja«, antwortete Erin. »Ich habe ihn kurz gesehen, bevor er ausging. Er meinte, es sei recht gut gelaufen, doch schwer zu sagen, wie der Richter entscheiden werde. Wie war Ihr Eindruck?« Wieder schaute sie an ihm vorbei und sah Jonathan seine Verabredung anlächeln.
»Ich fürchte, die Chancen auf eine Verurteilung sind minimal, aber ich hoffe, ich irre mich«, sagte Will.
»Jonathan wird am Boden zerstört sein, wenn Bojan auf freien Fuß gesetzt wird.« Erin wusste, wie sehr sich Jonathan Gerechtigkeit wünschte, schlimmer war allerdings, dass man sich Sorgen um seine und Marlees Sicherheit machen musste.
Erin hörte nur mit halbem Ohr, was Will erzählte. Sie konnte die Augen nicht von der Frau lassen, mit der Jonathan zu Abendaß. Sie kam einfach nicht darauf, weshalb sie ihr so gar nicht bekannt vorkam, wenn sie doch aus Coober Pedy stammte. In einer derart kleinen Stadt war es unwahrscheinlich, jemanden nicht zu kennen, besonders eine der wenigen Frauen, die dort lebten.
»Stimmt was nicht, Erin?«, fragte Will schließlich. Er drehte sich um, weil er sehen wollte, was Erins Aufmerksamkeit so sehr fesselte.
»Oh, tut mir leid«, sagte Erin. »Ich habe nur gerade Jonathan da drüben entdeckt.« Das musste sie zugeben, denn Will hatte ihn jetzt bestimmt auch gesehen. »Ich wusste gar nicht, dass er heute Abend hier essen wollte.«
Will warf ihr einen skeptischen Blick zu.
»Er hat erzählt, er gehe mit jemandem aus, den er von Coober Pedy kennt, dass er hierher wollte, hat er jedoch nicht erwähnt.« Das stimmte sogar. »Die Frau, mit der er isst, kenne ich gar nicht. Sie vielleicht?«
Will drehte sich noch einmal um und sah zu Carol-Ann. »Nein«, sagte er zu Erins großer Enttäuschung. »Sie kann nicht aus Coober Pedy sein, sonst würde ich sie kennen.«
»Sind Sie sicher? Wenn Jonathan sie aus Coober Pedy kennt, ist es doch
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