Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
wurde Bojan gebeten, sich zur Verkündung des Urteils zu erheben. Jonathan hielt den Atem an, als sich Stille über den Gerichtssaal senkte.
»Mr. Ratko«, setzte der Richter an. »Das Gericht ist zu der Ansicht gekommen, dass Sie verantwortlich sind für die Schlägerei mit Andro Drazan an dem Abend, als er ums Leben kam. Es gilt als erwiesen, dass es zwischen Ihnen und dem Opfer seit Langem Auseinandersetzungen gab. Die Geschichte ihrer beider Bekanntschaft ist kompliziert.«
Jonathan wagte, auf das Urteil zu hoffen, das Bojan verdiente, aber von der Zuschauergalerie gab es ungläubiges Gemurre.
»Ruhe im Saal!«, verlangte der Richter und schlug mit seinem Hammer auf das Pult. »Sonst lasse ich die Galerie räumen.«
Ein fast greifbares Schweigen senkte sich nun über die Galerie.
»Nach Anhörung der Augenzeugenberichte und nach Würdigung von Mr. Drazans Rolle bei der Schlägerei ist das Gericht zu der Ansicht gelangt, dass Mr. Drazan für seinen daraus resultierenden Tod letztlich genauso viel Verantwortung trug wie Sie«, fuhr der Richter fort. »Deshalb befinde ich Sie des vorsätzlichen Mordes für nicht schuldig.« Jubelrufe erschallten überall im Saal, erneut verlangte der Richter Ruhe. »Es ist meine Überzeugung, dass keiner von Ihnen beiden sich der unmittelbaren Nähe zur Minenschachtöffnung bewusst war. Daher befinde ich Sie im zweiten Punkt der Anklage, der schweren fahrlässigen Körperverletzung, ebenfalls für nicht schuldig. Sie sind frei, Mr. Ratko, und dürfen den Gerichtssaal verlassen.« Ein weiteres Mal ließ erden Hammer aufschlagen, dann zog er sich in seine Räumlichkeiten zurück.
Die Menschen im Saal brachen in Jubelrufe aus und sprangen auf, doch Jonathan regte sich nicht. Sein Herz raste. Er war wie gelähmt, saß vollkommen still da und starrte vor sich hin. Er nahm kaum wahr, dass Bojan von seinen Anhängern umringt wurde, dass sie ihm auf die Schulter schlugen und ihm gratulierten.
Marlee schaute zu Jonathan auf, sie wusste kaum, was da geschah. »Jono«, sagte sie und zupfte ihn am Hemdärmel. »Gehen wir jetzt?«
»Ja«, sagte Jonathan leise, um Fassung ringend.
»Geht denn jetzt der Mann, der meinen Daddy umgebracht hat, ins Gefängnis?«, fragte Marlee, als sie aufstanden.
Jonathan bemühte sich, Worte zu finden, mit denen er es der Kleinen hätte erklären können, aber das war das Schwerste, was er je hatte tun müssen.
»Nein«, sagte er heiser flüsternd. Er räusperte sich. »Der Richter hat gesagt … es war ein Unfall.« Er hatte Andro im Stich gelassen. Und Marlees verwirrten Gesichtsausdruck zu sehen war ihm auch keine Hilfe.
»Komm, wir gehen«, sagte Jonathan und umklammerte Marlees Hand ganz fest.
Plötzlich wünschte er sich nur noch verzweifelt, aus dem Gerichtssaal zu kommen. Als Jonathan auf den Gang zwischen den Stuhlreihen trat, baute sich Bojan vor ihm auf. Ihre Gesichter waren nur Zentimeter voneinander entfernt, als sich die beiden Männer in die Augen sahen.
»Sie wollten erreichen, dass man mich wegen Mordes verurteilt, geschafft haben Sie das allerdings nicht«, zischte Bojan bösartig.
Jonathan blickte ihn finster an, in ihm brannte die Wut. »Der Gerechtigkeit wurde heute nicht Genüge getan«, sagte er in eisigem Tonfall. »Diese Kleine hat ihren Vater verloren wegen dem, was Sie getan haben.«
Bojan würdigte Marlee keines Blickes. »Andro war genausoverantwortlich für das, was passiert ist. Und das hat das Gericht erkannt. Vielleicht hat er sogar noch mehr Schuld als ich, denn wir hätten uns nie im Leben geprügelt, wenn er mir nicht den Olympic Australis gestohlen hätte.« Sein Hass hatte sich nicht ein bisschen gemildert. Die Schlägerei und das anschließende Verfahren hatten ihn eher noch mehr verbittert.
»Gehörte der Opal nicht genauso ihm wie Ihnen?«, fragte Jonathan mutig.
Bojans dunkle Augen verengten sich. »Also … Sie haben ihn«, grölte er bedrohlich.
»Das habe ich nicht gesagt«, sagte Jonathan so ruhig er konnte.
»Nur damit Sie es wissen: Ich tue, was auch immer getan werden muss, um ihn mir zurückzuholen«, schwor Bojan kaltblütig. Seine Worte ließen keinen Zweifel daran aufkommen, was er damit meinte.
»Ich kann Ihnen nicht geben, was ich nicht habe«, gab Jonathan zurück.
»Andro hat Ihnen erzählt, wo er ihn versteckt hat, ja?«, beschuldigte ihn Bojan.
»Er hat mir erzählt, worüber Sie beide sich gestritten haben, davon abgesehen hat er nichts erwähnt«, erwiderte Jonathan
Weitere Kostenlose Bücher