Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
mit ihm darüber reden sollte, es fiel ihr allerdings keine Möglichkeit ein, wie sie das Thema zur Sprache bringen könnte.
Als Erin am nächsten Morgen aufstand, saß Jonathan mit Cornelius auf der Veranda hinterm Haus. Sie hatten schon gefrühstückt, Marlee saß vergnügt auf der Schaukel.
»Es würde mich nicht überraschen, wenn wir sehr bald ein Urteil hätten«, sagte Jonathan. Es war offensichtlich, dass er nicht mit einer Verurteilung Bojans rechnete.
»Wollen wir hoffen, dass die Gerechtigkeit siegen wird«, meinte Cornelius. Er sah Erin durch das Küchenfenster. »Guten Morgen, Schlafmütze«, zog er sie auf.
»Guten Morgen«, rief Erin zurück. Sie machte sich eine Tasse Tee und gesellte sich dann zu ihnen.
Sofort kam Marlee zu ihr gelaufen und umarmte sie liebevoll, ehe sie wieder zur Schaukel zurückrannte.
Jonathan sah, dass Erin müde war, und nahm an, dass sie nach der Verabredung mit Will erst spät nach Hause gekommen war. Er war sich noch nicht darüber im Klaren, ob er den jungen Constable mochte, aber eines wusste er sicher – für Erin war er definitiv nicht gut genug. Er selbst hatte nach dem Essen Carol-Ann nach Hause gebracht, hatte den Spaziergang in der kühlen Nachtluft und ihre Gesellschaft genossen. Sie hatten viel geredet. Carol-Ann schien ihr altes Leben mehr und mehr hinter sich zu lassen. »Clementine« existierte nicht mehr.
Cornelius wusste, dass Erin früh nach Hause gekommen war, deshalb machte er sich mehr als Jonathan Sorgen darüber, was sie die Nacht über wach gehalten haben mochte. Er fand, sie hatte vor dem Zubettgehen verstört gewirkt, und fragte sich, ob sie wohl einen Streit mit Will gehabt hatte.
»Ich fahre heute Vormittag in die Stadt. Mal sehen, ob wir Post aus England haben«, sagte Erin.
»Ich will auch in die Stadt. Ich fahre Sie hin«, bot Jonathan an.
»Danke«, sagte Erin. Ob er sich wohl mit »Clementine« trifft?, dachte sie.
»Wollen Sie ins Gericht, Jonathan?«, fragte Cornelius.
»Ja«, antwortete er. »Ich will sehen, wie die Sache sich entwickelt und wann mit dem Urteil zu rechnen ist. Ich nehme Marlee mit, wenn Sie heute etwas vorhaben.«
»Nein, sie kann bei mir bleiben. Unsere Ballspiele bringen mich allmählich wieder in Form«, sagte er und lächelte.
Auf der kurzen Fahrt in die Stadt unterhielten sich Jonathan und Erin nicht, beide waren mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt.
Normalerweise kaufte Erin in dem Supermarkt bei der Todd Tavern. Aber es gab noch einen zweiten in der Nähe des Postamts, also beschloss sie, dort einzukaufen. Als sie zahlen wollte, bemerkte sie verblüfft, dass »Clementine« an der Kasse arbeitete. Erin überlegte, ob sie die junge Frau damit konfrontieren sollte, dass sie als Freundin von Jonathan, der Vormund eines leicht zu beeindruckenden Mädchens war, wohl kaum geeignet sein könnte. Da sie jedoch mit Jonathan nicht darüber gesprochen hatte, dass er sich mit einer Prostituierten traf, und sie nicht das Recht hatte, sich einzumischen, entschied sie sich dagegen. Erin verließ kurz entschlossen den Supermarkt. Wohl fühlte sie sich dabei allerdings überhaupt nicht.
Zwei Tage später, am letzten Verhandlungstag gegen Bojan, nahm Jonathan Marlee mit ins Gericht. Erin und Cornelius bezweifelten, dass das klug war, aber Jonathan erklärte ihnen, was er sich dabei dachte. Eines Tages würde Marlee Fragen stellen, und er wollte ihr sagen können, dass sie dabei gewesen war, als der Mann, der ihren Vater getötet hatte, für sehr lange Zeit, hoffentlich für den Rest seines Lebens, ins Gefängnis geschickt wurde.
»Ich hoffe, Sie verstehen, weshalb Erin und ich nicht dabei sein wollen«, hatte Cornelius mit schlechtem Gewissen gesagt, bevor sie sich auf den Weg machten.
»Natürlich verstehe ich das«, erwiderte Jonathan. Er wusste, dass Bojans Besuche in Coober Pedy die beiden zu Tode geängstigt hatten.
Der Gerichtssaal war bis auf den letzten Platz besetzt. Es waren wieder viele Minenarbeiter da, doch zu seiner Überraschung sah Jonathan noch mehr Stadtbewohner, darunter auch Frauen. Marlee setzte sich neben Jonathan und griff nach seiner Hand. Er hatte ihr erzählt, weshalb sie hier waren, und ihr erklärt, er hoffe, dass der Richter den Mann, der ihren Vater getötet hatte, ins Gefängnis steckte. Er wollte auch, dass Bojan das kleine Mädchen sah, das er zur Waise gemacht hatte, ehe man ihn wegführte und er seine Gefängnisstrafe absitzen musste.
Der Richter verlangte Ruhe im Saal, dann
Weitere Kostenlose Bücher