Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
zurückbringen.«
Bojan saß mit finsterem Blick da.
»Was haben Sie getan, während Bojan und Andro sich prügelten?«, wollte der Staatsanwalt von Jonathan wissen.
»Es waren so viele Männer um sie herum, dass es schwierig war, genau zu erkennen, was da vor sich ging. Ich habe versucht, mich durch die Schaulustigen zu drängen, aber das war unmöglich. Dann stellte ich mich auf einen umgedrehten Eimer, um über ihre Köpfe sehen zu können. Ich erblickte Bojan und Andro, die beim Lagerfeuer aufeinander einprügelten. Ich wusste, dass Marlee sich bei dem Lärm zu Tode ängstigen würde, deshalb ging ich um Andros Zelt herum und kroch hinein. Ich wollte nachsehen, ob mit ihr alles in Ordnung war. Tatsächlich fand ich sie zusammengekauert und verstört in Sorge um ihren Vater dort vor.«
»Marlee ist Andro Drazans Tochter, Euer Ehren«, erklärte der Staatsanwalt. »Meines Wissens ist sie sechs Jahre alt.«
»Das stimmt«, erwiderte Jonathan. Er schaute zum Richter, einem Mann mittleren Alters mit Brille, der eine gepuderte Perücke und eine Richterrobe trug und dessen strenger Gesichtsausdruck nichts von dem verriet, was er dachte.
»Was taten Sie als Nächstes?«, fragte der Staatsanwalt.
»Ich sagte zu Marlee, sie solle im Zelt bleiben, und dann ging ich hinaus mit der Absicht, die Schlägerei zu beenden. Doch es war ein wilder Kampf, der da tobte. Sie gingen aufeinander los wie zwei riesige Grizzlybären. Ich sah, wie einer der Schaulustigen durch einen einzigen Hieb bewusstlos geschlagen wurde. Als ich nicht näher herankam, rief ich den Gaffern zu, wir müssten den Kampf beenden, aber man ärgerte sich nur über meine Einmischung und beachtete mich nicht weiter. Viele hatten wohl Wetten abgeschlossen, und sie waren gespannt auf den Ausgang des Kampfes.«
»Bitte fahren Sie fort«, sagte der Staatsanwalt.
»Andro und Bojan prügelten wie von Sinnen aufeinander ein. Ich sah, wie Bojan versuchte, Andro zu Boden zu schleudern, doch es gelang ihm nicht. Er riss ihm nur das Hemd vom Leib. Ich nahm ein glimmendes Stück Holz vom Feuer, damit wollte ich denKampf beenden, aber es wurde mir von einem wütenden Mann aus der Menge aus der Hand geschlagen.«
»Was passierte dann?«, drängte der Staatsanwalt.
»Ich dachte mir, dass ich vielleicht eher die Chance hätte, die Schlägerei zu beenden, wenn die beiden Männer ermüdeten, doch da sah ich, wie Bojan Andro ein Bein stellte und ihm einen kräftigen Stoß versetzte. Andro verlor das Gleichgewicht, und diesmal ging er zu Boden. Bojan stand reglos da, versuchte, wieder zu Atem zu kommen, während die Menge plötzlich ganz still wurde. Ich drehte mich um, rechnete damit, Andro hinter mir auf dem Boden liegen zu sehen, verletzt vielleicht oder zu erschöpft, um allein wieder aufzustehen, aber … er war verschwunden. Ich stand da und starrte in ein dunkles Loch, die Öffnung unseres Minenschachts. Ich brauchte einen Moment, ehe ich begriff, dass Bojan ihn in unsere Mine gestoßen hatte, und ich habe keinen Zweifel daran, dass er das mit Absicht tat.«
»Das ist eine Lüge!«, rief ein Mann von der Zuschauergalerie. Andere fielen verärgert mit ein, und binnen Sekunden kochte der Gerichtssaal.
»Ruhe im Saal«, rief der Richter und schlug mehrmals mit seinem Hammer auf sein Pult.
»Fahren Sie fort, Mr. Maxwell«, sagte der Staatsanwalt, als auf der Galerie wieder Ruhe eingetreten war.
»Ich stand unter Schock wie alle anderen auch. Jemand sagte, den Sturz würde Andro nicht überleben. Ich schrie, jemand solle eine Laterne bringen, dann kletterte ich in die Mine hinunter. Zu meiner Erleichterung lebte Andro. Ich sprach mit ihm, und er sprach mit mir. Aber noch ehe Hilfe eintreffen konnte, starb er.« Jonathan wusste, Andros letzte Momente würde er nie vergessen. Sie würden ihn ein Leben lang verfolgen.
Völlige Stille hatte sich über den Gerichtssaal gesenkt. Jonathan schaute in die Gesichter der Leute, die vor ihm saßen. Viele der Männer hatten Andro lange gekannt. Manche schauten zur Seite, andere wirkten, als wäre ihnen unbehaglich zumute. NurBojans Gesichtsausdruck blieb unverändert. Reglos saß er da, das Gesicht hassverzerrt.
Der Staatsanwalt hatte keine weiteren Fragen, also erhob sich Bojans Verteidiger, um Jonathan zu befragen.
»Sie sagten, Sie schliefen, als die Schlägerei begann, Mr. Maxwell«, sagte er.
»Das ist richtig.«
»Dann können Sie gar nicht wissen, wer anfing.«
»Ich denke, das ist offensichtlich, da Andro an
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