Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman

Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman

Titel: Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
Alphabet und das Rechnen beigebracht. Sie haben sie an Bücher und pädagogisch wertvolle Spiele herangeführt, ans tägliche Baden, an saubere Kleidung, gesunde Ernährung und gutes Benehmen. Und ich könnte noch ewig weitermachen.«
    Jonathan sah sie an. »Ich weiß Ihren Trost zu schätzen«, sagte er. »Sie sind mir eine sehr gute Freundin geworden, Erin. Ich kann Ihnen gar nicht genug dafür danken, wie freundlich Sie zu Marlee gewesen sind.«
    Erin spürte, dass es sie kränkte, dass er in ihr nur eine gute Freundin sah, wenn sie auch nicht das Recht hatte, mehr zu erwarten. »Sie müssen mir nicht danken, Jonathan. Ich hätte nie gedacht, dass ich mein Herz dem Kind eines anderen so öffnen könnte. Als es dann passierte, hat es mich ganz unerwartet getroffen, und dafür muss ich Ihnen danken.«
    Jonathan brachte ein kleines, trauriges Lächeln zustande. Auch er hätte nie gedacht, dass er das Kind eines anderen so lieb gewinnen könnte. »Ich wusste, dass Sie Kinder lieben können, denn Sie haben ein gutes Herz und eine schöne Seele, Erin Forsyth.«
    Die Tränen stiegen Erin in die Augen. Jonathan war der erste Mann in ihrem Leben, der mehr als nur die physische Schönheit an ihr sah. »Ich liebe Marlee«, flüsterte sie aufgewühlt. Am liebsten hätte sie hinzugefügt: Und Sie liebe ich auch. Doch Jonathan war mit einer anderen verlobt, sie durfte so etwas nicht sagen.
    Jonathan hatte sich einer Frau nie näher gefühlt. Marlee war das Band, das sie beide für immer einen würde. Er legte Erin den Arm um die Schulter, und sie lehnte den Kopf an die seine. Lange Zeit saßen sie so da, und es fühlte sich richtig an.
    Schließlich richtete Erin sich auf und sah Jonathan an. »Ich muss Sie noch etwas fragen«, sagte sie. »Diese Frau, mit der Sie neulich Abend in der Todd Tavern waren … Sie sagten, sie käme aus Coober Pedy, oder?«
    »Sie hat dort gelebt«, gab Jonathan vorsichtig zu.
    »Sie war eine der Prostituierten«, erklärte Erin.
    Jonathan hatte geahnt, dass Erin Carol-Ann erkennen würde.»Ja, das war sie. Und sie ist ein wirklich netter Mensch.« Er hoffte, er hörte sich nicht so an, als wollte er sie verteidigen. Denn eine Verteidigung hatte Carol-Ann nicht nötig.
    »Es geht mich ja nichts an, aber halten Sie es für klug, mit solch einer Frau zu verkehren? Die Leute werden denken, Sie nähmen ihre Dienste in Anspruch, und ich bin sicher, dass Sie das nicht tun.«
    »Natürlich tue ich das nicht. Ich bin verlobt. Carol-Ann ist eine Freundin, Erin. Für eine so junge Frau hat sie schon viel Trauriges erlebt.«
    »Die meisten Menschen machen in ihrem Leben Trauriges durch, Jonathan. Nur … sie wenden sich nicht … wenden sich nicht solch einer Arbeit zu.«
    »Das stimmt. Keine Frau würde so etwas tun, es sei denn, sie wäre verzweifelt. Carol-Ann war verzweifelt. Sie hat ihren Mann bei einem Minenunglück verloren, und dann stellte sie fest, dass sie schwanger war, was bedeutete, dass sie ganz allein ein kleines Kind großziehen musste.«
    Erin war verblüfft. »Hatte sie denn keine Familie, auf die sie zählen konnte?« Sie konnte sich nicht vorstellen, zu so etwas wie Prostitution gezwungen zu sein.
    »Nach dem Tod ihres Mannes ist sie zu ihren Eltern gezogen, dann wurde ihr Vater schwer krank und konnte die Familie nicht mehr ernähren. Nach der Geburt des Babys sah sie sich in Alice Springs nach Arbeit um, fand jedoch nichts, wo sie genug verdient hätte, um sie alle zu ernähren und die Arztrechnungen zu zahlen. Und ihr Vater brauchte kostspielige Medikamente. Also ließ Carol-Ann die kleine Michaela bei ihrer Mutter und ging nach Coober Pedy.«
    »Michaela?« Es überraschte Erin, dass Jonathan wusste, wie Carol-Anns Kind hieß.
    »Ja. Sie ist ein hübsches kleines Mädchen mit üppigen blonden Locken und strahlend blauen Augen.«
    »Sie haben sie kennengelernt?« Erin verspürte einen Anflug von Eifersucht.
    »Ja. Sie war der Grund, weshalb sich Carol-Ann so zu Marlee hingezogen fühlte. Oft blieb sie morgens an unserem Lagerplatz stehen, nur um Marlee zu begrüßen. Offenbar hat sie ihre eigene Tochter schrecklich vermisst. Ich habe die Traurigkeit und Verzweiflung in ihren Augen gesehen. Es war klar, dass sie jeden einzelnen Moment in Coober Pedy verabscheute, genau wie das, was sie tat, während die anderen jungen Frauen ganz locker damit umgingen. Sobald ihr Vater sich erholt hatte und wieder arbeiten konnte, kam sie zurück nach Alice Springs und suchte sich einen Job in der

Weitere Kostenlose Bücher