Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
die Glasscheibe sahen sie, wie sich eine massige, dunkle Gestalt näherte, und sie hörten, wie jemand am Türknauf rüttelte.
»Da versucht einer, ins Haus zu kommen«, flüsterte Erin. »Was sollen wir denn jetzt machen?« Ihr Herz raste, als wäre sie gerade eine Meile gelaufen, sie fühlte sich ganz schwach.
»Wir brauchen etwas, das wir als Waffe benutzen können«, raunte Jonathan. »Ich beobachte den, der da draußen ist, und Sie gehen in die Küche, suchen die schwerste Pfanne und bringen sie mir.«
Erin lief so schnell es im Dunkeln ging in die Küche. Zu Tode erschrocken sah sie, dass die Gestalt, die versucht hatte, die Verandatür zu öffnen, ums Haus herumgegangen war und jetzt vor dem Küchenfenster stand. Da stand auch schon Jonathan hinter ihr und legte ihr die Hände auf die Schultern.
»Wir können ihn sehen, er sieht uns aber nicht, wenn wir das Licht auslassen«, flüsterte er. Das Gesicht des Eindringlings erkannte er nicht, nur dass es sich um einen großen, kräftigen Mann handelte. Er glaubte zu wissen, dass es Bojan Ratko war.
»Holen Sie die Pfanne«, sagte er leise. Er öffnete eine Schublade und suchte nach einem Messer. Erin war wie gelähmt vor Angst, sie konnte sich nicht rühren.
»Machen Sie schnell, Erin«, zischte Jonathan mit Nachdruck.
Erin tastete in der Dunkelheit in einem Unterschrank nach einer Pfanne. Scheppernd fiel ein kleiner Kochtopf um. Entsetzt stöhnte sie auf. Jetzt war der Mann draußen gewarnt und wusste, dass sie nicht schliefen.
Jonathan beobachtete dessen Reaktion. Er sah, wie er etwas vom Boden aufhob, und es dauerte einen Moment, bis er begriff, dass der Mann mit einem Gegenstand auf das Fenster zielte. Zu spät merkte Jonathan, dass es ein Gewehr war.
Erin richtete sich auf. »Das hat er gehört, oder?«
Im selben Moment warf Jonathan sie zu Boden und ließ sich neben sie fallen. Sie hörten einen Knall und das Splittern von Glas, dann flog zischend eine Kugel über ihre Köpfe hinweg. Eilige Schritte entfernten sich. Jonathan wollte aufstehen, aber Erin hielt ihn zurück.
»Nicht aufstehen!«, flehte sie. »Sie könnten verletzt werden.«
»Er ist weg«, versicherte ihr Jonathan. Er richtete sich auf und lugte nach draußen, doch wer immer da gestanden hatte, war verschwunden. »Feigling«, spie er wütend aus.
Jonathan half Erin auf. Sie zitterte so sehr, dass sie kaum aufrecht stehen konnte. Er nahm sie in die Arme, hielt sie ganz fest. »Ist ja gut«, sagte er. »Ihnen passiert nichts.«
Erin hatte sich niemals in ihrem Leben so geborgen gefühlt.
32
Erin saß auf dem Sofa und umklammerte den Griff einer Bratpfanne, als hinge ihr Leben davon ab. Jonathan saß ihr gegenüber zusammengesunken in einem Sessel. Im schwachen Licht des anbrechenden Tages erkannte er, wie erschöpft Erin war. Er fand es furchtbar mit anzusehen, wie sie darum kämpfte, wach zu bleiben. Auch er war müde. Weit mehr als nur müde! In den vergangenen fünf Stunden war er regelmäßig durch alle Räume des Hauses gegangen, hatte Fenster und Türen überprüft. Wann immer er sich für ein paar Minuten gesetzt hatte, hatte er aufmerksam auf jedes Geräusch gehorcht. Nun war er vollkommen erschöpft.
Draußen warf die aufgehende Sonne sanfte Strahlen goldenen Lichts über den Rasen, ein weiterer Tag in sengender Hitze stand ihnen bevor.
»Sie hätten vor Stunden schon zu Bett gehen sollen, Erin«, sagte Jonathan. Das hatte er ihr im Laufe der Nacht mehrmals gesagt, aber sie hatte darauf bestanden aufzubleiben, um mit ihm Wache zu halten.
»Jetzt hat es sowieso keinen Zweck mehr, ins Bett zu gehen. Dann würde ich in der Nacht nur wieder kein Auge zubekommen«, erwiderte Erin.
»Sie sind so erschöpft, Erin, Sie könnten im Stehen einschlafen.«
»Ja, vermutlich, nach ein oder zwei Minuten wäre ich allerdings wieder wach«, antwortete sie.
»Die Wahrscheinlichkeit, dass Bojan noch einmal herkommt, jetzt, da es hell wird, ist verschwindend gering. Wieso legen Sie sich nicht ein paar Stunden hin?«
»Wir sollten uns eine Tasse Kaffee machen und dann zum Polizeirevier fahren«, beharrte Erin voller Wut auf Bojan. Sie stand auf, um den Kessel aufzusetzen. »Ich bin bloß dankbar, dass Marlee nicht hier war. Das beweist doch, es war richtig, sie zu ihrer Familie zu bringen.«
Jonathan stimmte ihr zu. Dasselbe hatte er mehr als einmal gedacht, seit Bojan das Gewehr auf sie gerichtet und abgedrückt hatte. Es hielt Jonathan allerdings nicht davon ab, die Kleine zu
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