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Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman

Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman

Titel: Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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vermissen.
    Sergeant Jackson war seit sieben Jahren der verantwortliche Leiter des Polizeireviers in Alice Springs. Er war berüchtigt für seine schlechte Laune und stand zu kurz vor der Pensionierung, um so zu tun, als wäre er tolerant. Seit er als junger Constable Ende der Dreißigerjahre aus Leeds nach Australien eingewandert war, hatte er in verschiedenen ländlichen Gemeinden gearbeitet. Damals hatte er gerade so viel Berufserfahrung gehabt, dass er kein blutiger Anfänger mehr gewesen war, doch immer noch jung genug, um mit Idealismus ans Werk zu gehen, und entschlossen, im Leben der australischen Ureinwohner etwas zum Besseren zu bewirken.
    Bei seiner Ankunft in Australien hatte Jackson ausdrücklich einen Posten in einer Stadt mit einem hohen Bevölkerungsanteil von Aborigines verlangt. Seine Vorgesetzten hatten ihn nach Tennant Creek entsandt, einer Gemeinde mit dem denkbar schlimmsten Ruf, was Unruhen anging. Die Weißen waren mit Gewehren bewaffnet und schossen oft und gern in der Gegend herum, die Schwarzen waren ihnen zahlenmäßig bei Weitem überlegen und trugen Speere und die keulenartigen nulla nullas bei sich. Nach einigen Jahren in Tennant Creek war er für zwei Jahre nach Daly River versetzt worden. In dieser Zeit hatte er mehrfach bei Stammesstreitigkeiten einschreiten müssen und war zweimal am selben Bein von einem Speer verletzt worden. Sein Idealismus nahm ernsthaft Schaden.
    Keiner konnte leugnen, dass Sergeant Jackson die denkbar besten Absichten gehabt und im Leben der Leute sowohl in Daly River als auch in Tennant Creek tatsächlich etwas zum Besserengewendet hatte. Doch die Spannungen und sozialen Probleme zwischen den Aborigines und den Weißen waren zu komplex, als dass ein einzelner Mann hätte Abhilfe schaffen können. Und seine Anstrengungen wären beinahe sein Ruin gewesen. Nachdem er fast einen Zusammenbruch erlitten hätte, war er in einigen kleineren ländlichen Gemeinden ohne Probleme eingesetzt worden, damit er sich erholen konnte. Anschließend hatte man ihn nach Alice Springs entsandt, einer Stadt, in der sein Geschick im Beilegen von Rassenkonflikten dringend benötigt wurde.
    In seinen vielen Jahren am Ort hatte er einige Erfolge erzielt und etliche Probleme bereinigt, nun hatte er jedoch wirklich genug von allem. Er war bereit, seinen Job an den Nagel zu hängen und sich in Queensland zur Ruhe zu setzen. Und er träumte davon, jeden Tag angeln zu gehen.
    »Welche Hautfarbe hatte der Eindringling?«, fragte er Jonathan mit wenig Mitgefühl. Das war immer die erste Frage, die er für seinen Bericht stellte. Es half, die möglichen Verdächtigen einzugrenzen, von denen die meisten vorbestraft waren.
    »Es war … Mitternacht«, erklärte Jonathan vorsichtig. »Aber wir …«
    »Sie wissen es also nicht«, unterbrach der Sergeant, während er etwas auf ein Formular kritzelte.
    »Wir sind sicher, dass es Bojan Ratko war«, fiel Erin ein. »Er ist von weißer Hautfarbe, Kroate.«
    »Ich weiß, wer das ist, Miss. Ich hatte ihn wochenlang in einer Zelle hinten, als sein Prozess lief. Der konnte einen ganz schön auf Trab halten. Wollen Sie mir erzählen, Sie haben im Dunkeln irgendwas an ihm erkannt, irgendein besonderes Merkmal, mit dessen Hilfe Sie ihn identifizieren konnten?«
    »Das nun gerade nicht«, antwortete Jonathan wahrheitsgemäß. »Der Mann draußen vor dem Fenster war groß und kräftig wie Bojan Ratko, aber er hat kein Wort gesprochen. Als er uns in der Küche hörte, richtete er ein Gewehr auf uns und schoss durchs Fenster.«
    Sergeant Jackson seufzte schwer. »Ich hatte heute Morgen erst einen Kaffee, und eine alte Beinverletzung macht mir Probleme, ich bin also nicht in der Stimmung, mich veralbern zu lassen«, erklärte er verärgert.
    »Wir veralbern Sie nicht«, beharrte Jonathan.
    »An dem Tag, als Bojan von der Anklage des Mordes freigesprochen wurde, hat er Jonathan und sein Mündel bedroht«, wandte Erin ein. »Deshalb wissen wir, dass er das da draußen vor dem Fenster war. Wir kennen kaum einen hier in der Stadt, und ganz bestimmt keinen, der auf uns schießen würde.«
    »Wenn ich Leute einsperren wollte, bloß weil sie Drohungen aussprechen, müsste ich ein Gefängnis haben, das doppelt so groß ist wie diese Stadt«, erwiderte der Sergeant. »Also nehmen wir mal an, ich wäre überzeugt davon, dass der Angreifer Bojan Ratko war.«
    »Es war Bojan Ratko«, unterbrach Erin den Sergeant, wurde jedoch durch eine erhobene Hand zum Schweigen

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