Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
gebracht.
»Nehmen wir mal an, er war es«, sagte Jackson ungeduldig. »Wenn Sie weder sein Gesicht gesehen noch seine Stimme gehört haben, können Sie ihn nicht ordnungsgemäß identifizieren«, fügte er hinzu.
»Wir wissen, dass er es war«, protestierte Erin entnervt.
Vor ihren Augen zerriss der Sergeant das Formular. »Ich kann Ihnen da nicht helfen«, sagte er. »Ich kann Bojan Ratko nicht dafür festnehmen, dass er in Ihr Haus hinein ein Gewehr abgefeuert hat, weil Sie ihn nicht als den Schuldigen identifizieren können. Und ehe Sie fragen − nein, auf den bloßen Verdacht hin kann ich ihn nicht verhaften.«
»Können Sie dann dafür sorgen, dass ein Constable in der Nacht vor dem Haus Wache steht?«, fragte Erin.
»Dafür habe ich nicht genug Leute«, erwiderte der Sergeant. »Für so was kann ich keinen Mann abstellen. Die wenigen Constables, die ich hier habe, müssen Dienst in einem Gebiet tun, das mehrere Hundert Meilen umfasst.«
»Was ist denn mit Constable Spender?«, fragte Erin spontan. »Offiziell ist er doch keiner Ihrer Männer, oder?«
»Nein. Und abgesehen von einem Bericht, den er gerade fertigstellt, ist seine Arbeit hier beendet. Ich glaube, übermorgen will er zurück nach Coober Pedy. Wenn er seine verbleibende Zeit in Alice damit zubringen will, Ihr Haus zu überwachen, kann er das gern tun. Das steht ihm frei.«
Erin bat Jonathan zu warten. Sie fand Will in einem Büro, in dem er seinen Bericht schrieb.
Als Will aufschaute und Erin an der offenen Bürotür stehen sah, war er ehrlich verblüfft. »Erin! Was für eine Überraschung«, sagte er. Er hatte sie noch nicht aufgegeben.
»Hallo, Will«, sagte Erin leichthin. Sie erkannte das Aufflackern neu erwachter Hoffnung in seinen Augen und hatte sofort ein schlechtes Gewissen.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte Will. Ob sie es sich anders überlegt hatte und doch mit ihm ausgehen wollte?
»Ich weiß, ich habe nicht das Recht dazu, aber ich bin gekommen, um Sie um einen Gefallen zu bitten«, begann Erin kleinlaut.
»Sie sehen müde aus. Ist alles in Ordnung?«
»Nein. Gestern Nacht hat ein Mann versucht, in unser Haus einzudringen, und dann hat er durchs Küchenfenster einen Schuss abgegeben«, erzählte Erin.
»Haben Sie gesehen, wer der Mann war?«
»Sein Gesicht konnten wir im Dunkeln nicht erkennen, wir sind dennoch sicher, dass es Bojan Ratko war. Danach konnte ich natürlich nicht mehr schlafen.«
Will runzelte die Stirn. Er wusste, dass man nichts tun konnte, wenn Erin nicht in der Lage war, Bojan eindeutig zu identifizieren. »Sie sind aber nicht sicher …«
»Er hatte dieselbe Statur wie Bojan. Nicht viele Männer sind so groß und kräftig, und keiner sonst hat eine Drohung gegen Jonathan ausgesprochen.«
»Ich hoffe, Sie sind inzwischen zur Vernunft gekommen und gleich heute Morgen in ein Hotel gezogen.«
»Nein«, antwortete Erin. Sie fühlte sich in die Defensive gedrängt. »Gerade habe ich Sergeant Jackson gefragt, ob er einen Constable abstellen kann, der in der Nacht unser Haus bewacht, er meinte allerdings, er könne keinen Mann erübrigen.«
Wills Gesichtsausdruck verhärtete sich. Es war eindeutig, dass Erin entschlossen war, mit Jonathan im Haus zu bleiben. »Es gibt hier tatsächlich nicht genug Constables«, erwiderte er kühl. Sergeant Jackson hatte ihn gefragt, ob er in Erwägung ziehen würde, sich dauerhaft nach Alice Springs versetzen zu lassen, und er dachte ernsthaft über das Angebot nach. »Wenn Sie vernünftig wären, würden Sie nicht in dem Haus bleiben«, fügte er hinzu, stand auf und legte die Unterlagen Bojans Prozess betreffend zu einem ordentlichen Stapel zusammen.
Erin spürte, dass er ihren Sorgen gegenüber völlig gleichgültig war. »Kann man denn wegen Bojan Ratko überhaupt nichts unternehmen? Er ist der Verbrecher, nicht ich, und auch nicht Jonathan. Und er darf frei herumlaufen, darf Drohungen ausstoßen und auf uns schießen.«
»Offiziell ist er kein Straftäter, denn er wurde in allen gegen ihn im Zusammenhang mit Andro Drazans Tod erhobenen Anklagepunkten freigesprochen. Und Sie können nicht beweisen, dass er auf Sie geschossen hat.«
»Wir beide wissen, dass er das war«, erklärte Erin voller Wut.
»Gegen Sie hat er nichts, Erin. Also wieso sind Sie so stur und setzen sich einer derartigen Gefahr aus?« Er sah keinen Sinn mehr darin, seine Bitterkeit zu verbergen. Es war so töricht von Erin, ihr Herz an einen Mann zu verschenken, der mit einer anderen
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