Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
Schaffner. »Sind Sie sicher, dass wir hier richtig sind?«, fragte er, in der Hoffnung auf Bestätigung. Einen großen Bahnhof hatte er nicht erwartet, aber einen Bahnsteig, an dem es nicht mal eine Unterstellmöglichkeit gab, auch nicht.
»Aber ja, Sir. Sie haben an den Hotelbesitzer in Coober Pedy doch ein Telegramm geschickt, damit er weiß, dass Sie ankommen, oder?«
»Ja«, antwortete Cornelius. »Ich hatte allerdings nicht die Zeit, auf Antwort zu warten. Ist er ein zuverlässiger Mensch?«
»So genau weiß ich das auch nicht. Hier steigen nicht gerade oft Leute aus.«
Cornelius war alles andere als beruhigt. »Könnten Sie nicht vielleicht noch einen Moment warten und schauen, ob jemand kommt? Ich bin nicht gerade versessen darauf, hier mit meiner Nichte in der sengenden Sonne festzusitzen.«
»Tut mir leid, Sir, wir können den Zug hier nicht warten lassen. Wir müssen uns an den Fahrplan halten.«
»Danke«, sagte Cornelius.
Der Schaffner schloss die Tür. Ein Schwall Dampf schoss unter dem Fahrgestell vor, der Zug setzte sich langsam in Bewegung und gewann an Tempo. Verstört sahen Erin und Cornelius die Waggons an sich vorbeibrausen. Der Lärm der Lokomotive verlor sich allmählich in der Ferne, dann war nur noch Stille, eine Stille, wie Erin sie niemals zuvor erlebt hatte.
»Ist es möglich, dass dein Telegramm den Hotelbesitzer in Coober Pedy gar nicht erreicht hat?« Erin hatte ihre Ängste nicht aussprechen wollen, konnte sich dann jedoch nicht zurückhalten.
»Ich weiß, es geht alles ein bisschen langsamer hier in Australien«, sagte er. »Aber ganz bestimmt kommt uns jemand abholen,irgendwann.« Er konnte sich nicht vorstellen, dass man sie am Bahnhof sitzen lassen oder ganz vergessen würde.
»Und was machen wir bis dahin?«
»Wir müssen uns setzen und abwarten. Was anderes können wir nicht tun.«
»Musstest du auch irgendwo im Niemandsland aus dem Zug aussteigen, als du nach Andamooka gefahren bist?« Erin setzte sich im Schneidersitz an den Rand des kleinen Bahnsteigs.
»Nach Andamooka bin ich nicht mit dem Zug gefahren. Auf dem Flug von Sydney nach Adelaide habe ich jemanden kennengelernt, der mit seinem Bruder nach Alice Springs wollte, in einem Truck. Sie boten mir an mitzufahren, dann haben sie mich in der kleinen Ortschaft Pimba abgesetzt. Sie hatten mir gesagt, dass mich sicher jemand aus dem Ort mit dem Wagen nach Andamooka bringen würde.«
»Eine kleine Ortschaft − immerhin besser als das hier«, bemerkte Erin. Sie schlug die lästigen Schmeißfliegen weg, die wie aus dem Nichts aufgetaucht waren und sie attackierten. Erin war dennoch entschlossen, sich nicht zu beklagen, ihr war klar, dass ihr Onkel genau das erwartete.
»Das könnte man meinen, die kleine Ortschaft bestand allerdings gerade einmal aus ein paar Häusern, einem kleinen Laden und einem Pub.«
»Na wenigstens waren da Menschen«, sagte Erin.
»Nein! Es hätte genauso gut eine Geisterstadt sein können, ich habe keine Menschenseele gesehen.«
»Wo waren die denn alle?«
»Ich bin um neun Uhr abends angekommen. Das ist ja nicht gerade spät, aber der Pub hatte schon geschlossen und der Laden auch. Wenn da Leute in den paar Häusern waren, dann lagen sie schon im Bett. Zum Glück kreuzte gerade der Postbote auf, er wollte die Post holen, die am frühen Abend aus dem Zug geworfen worden war. Er brachte mich in seinem alten Truck nach Andamooka. Um ehrlich zu sein, die Zugfahrt hierher war wesentlich angenehmerals die Autofahrt nach Andamooka. Der Stuart Highway ist voller Schlaglöcher. Nach Einbruch der Dunkelheit ist das brandgefährlich. Hunderte von Kängurus sind auf der Straße, die springen dir einfach so vors Auto. Man fährt andauernd im Zickzack, um ihnen auszuweichen, und das zerrt ganz schön an den Nerven.«
»Besteht die Chance, dass ein Postbote herkommt?«, fragte Erin voller Hoffnung.
»Ich denke nicht«, erwiderte Cornelius, und auf einmal fiel ihm ein, dass der Schaffner überhaupt keinen Postsack dagelassen hatte.
Erin wurde ganz unbehaglich zumute. »Der Halt hier heißt Manguri Station. Nennt man in Australien nicht auch eine Farm ›Station‹?«, fragte sie leise.
Seltsamerweise hatte sie das Bedürfnis, in dieser unheimlichen Stille zu flüstern. Es war irgendwie albern, schließlich war kein Mensch da, der sie hören könnte. Sie war nur einfach nicht an solch eine Stille gewöhnt. Sie zerrte regelrecht an den Nerven.
»Ja«, antwortete Cornelius.
»Dann sind wir auf
Weitere Kostenlose Bücher