Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
als sie sich das vorstellte. Er wollte ihr die Möglichkeit geben, sich noch einmal zu überlegen, ob sie wirklich mit ihm fahren wollte, aber sie weigerte sich beharrlich, überhaupt nur in Erwägung zu ziehen, wie sich gut zwei Tage ohne Schlaf und ohne Waschmöglichkeit anfühlen mussten. Sie war erst zweimal mit dem Flugzeug unterwegs gewesen, allerdings waren es nur kurze Reisen von einer europäischen Großstadt in die andere gewesen, also erwartete sie aufgeregt wie ein kleines Kind das, was sie als großes Abenteuer empfand. Was immer Cornelius sagte, dämpfte weder ihre Vorfreude noch ihre Entschlossenheit.
Der Flug von London nach Istanbul dauerte fünf Stunden. Am Sonntagnachmittag starteten sie vom Flughafen Heathrow mit einer Maschine der BOAC und kamen um acht Uhr abends Ortszeit in der Türkei an. Erin war begeistert, an solch einem exotischen Ort zu sein, man sagte ihnen jedoch nicht, wie lange es genau dauern würde, um das Flugzeug aufzutanken, und riet ihnen, das Flughafengebäude nicht zu verlassen. Also hatten sie nicht die Möglichkeit, sich die Stadt anzusehen. Nach einer Stunde Wartezeit in der fast menschenleeren, nur schwach beleuchteten Abflughalle verflog Erins Begeisterung bald, doch sie ließ sich nichts anmerken.
Die zweite Etappe der Reise von Istanbul nach Hongkong dauerte sechzehn ermüdende Stunden, unterbrochen von kurzen Schlafphasen, die ihnen wegen der unbequemen Sitzposition einen steifen Nacken bescherten. So erschöpft hatte Erin sich noch nie gefühlt, aber sie wollte unbedingt beweisen, dass sie alles ertragenkonnte, was es auch sei. Sie lächelte tapfer und beschwerte sich nicht.
Gegen Ende dieser Reiseetappe tat Erin der Rücken weh, und immer wieder hatte sie Krämpfe in den Beinen. Auch ihr Kopf pochte vom Brummen der Flugzeugmotoren. Am Montag kamen sie um zehn Uhr abends Ortszeit in Hongkong an. Dort mussten sie im Flughafengebäude völlig übermüdet drei Stunden auf harten Stühlen ausharren. Die Halle war menschenleer bis auf einige Putzfrauen, die jedoch nicht Englisch sprachen. Die Cafés hatten geschlossen, deshalb waren die Passagiere schlecht gelaunt. Doch auch hier sagte man ihnen, es sei nicht der Mühe wert, das Flughafengebäude zu verlassen, um diese Zeit hätte kein Geschäft geöffnet. Um ein Uhr morgens bestiegen sie wieder eine Maschine und machten sich bereit für den langen Flug nach Sydney.
Am Dienstagabend erreichten sie Sydney. Sie waren mehr als fünfzig lange Stunden unterwegs gewesen. Noch nie zuvor hatte sich Erin so verzweifelt nach einem heißen Bad und einem weichen Bett gesehnt. Gute Laune konnte sie jetzt nicht einmal mehr vortäuschen. Aber das spielte keine Rolle, denn Cornelius war zu erschöpft, als dass ihm das aufgefallen wäre.
In einem Hotel in der Innenstadt quartierten sie sich ein. Schweigend aßen sie ein paar Sandwiches, deren Geschmack sie nicht einmal wahrnahmen, badeten und schliefen dann tief und fest zehn herrliche Stunden. Erst am Donnerstagmorgen sollte ihr Flug nach Adelaide gehen, also hatten sie reichlich Zeit, sich die Füße zu vertreten und die Stadt und den Hafen zu erkunden.
Cornelius war beeindruckt von Erins Durchhaltevermögen, doch das behielt er für sich. Er wusste, die schwerste Prüfung stand ihnen noch bevor, sie würde kaum eine Chance haben, die zu bestehen.
Für Erin war die Reise so unerträglich gewesen, dass sie beinahe alles auf sich genommen hätte, um das nicht noch einmal mitmachen zu müssen. Allein deshalb wollte sie unter keinen Umständen aufgeben und nach Hause zurückkehren. Sie nahm sichvor, das Beste aus dem zu machen, was vor ihr lag. Was konnte schon schlimmer sein, als zwei volle Tage in einem Flugzeug zu sitzen? Das einzig Positive war gewesen, dass sie kaum an Andys gedacht hatte.
Cornelius hatte den Hafen von Sydney schon bei früheren Reisen erkundet, deshalb bot er sich jetzt gern als Reiseleiter für Erin an. Es war Frühling in Australien, die Sonne schien, und es war warm. Die leichte Brise vom Meer war angenehm erfrischend. Im leuchtend blauen Wasser des Naturhafens lagen Schiffe aus etlichen Häfen überall auf der Welt, aber auch zahlreiche Freizeitboote. Das Wetter war ideal zum Segeln, Angeln und für Besichtigungstouren. Sie machten eine Bootsfahrt, die sie unter der prächtigen Harbour Bridge durchführte, die von den Leuten scherzhaft »Kleiderbügel« genannt wurde. Mit der Fähre fuhren sie nach Mosman, wo sie einige Stunden im Taronga Zoo verbrachten.
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