Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
hier Opale kaufen. Ich nehme also an, das hängt davon ab, wie lange wir brauchen, um qualitativ hochwertige Steine zu finden.«
Aimee warf Erin einen Blick zu. »Dann sind Sie ja wohl eine Weile hier. Ich rate Ihnen, schneiden Sie sich die Haare ab.«
Erin war entsetzt. »Ich … ich mag meine langen Haare«, stammelte sie.
»Die können Sie nur einmal in der Woche waschen«, sagte Aimee ohne eine Spur von Mitgefühl. »Vielleicht ändern Sie Ihre Meinung ja doch noch.«
Als Erin am nächsten Morgen aufwachte, war Cornelius schon fortgegangen. Auf einem Tablett im Zimmer standen eine Kanne Tee und ein Teller mit Toast. Der Tee war wie der, den Aimee ihnen am Abend zuvor gebracht hatte, so schwach, dass es schon ein Kompliment war, ihn überhaupt Tee zu nennen. Außerdem war er lauwarm. Der Toast war verbrannt und kalt. Erin aß und trank mit Verachtung, weil sie Hunger und Durst hatte. Rasch duschte sie und zog sich an, dann kam Cornelius auch schon zurück. Er teilte ihr mit, er habe eine Erdwohnung gemietet.
Erin war zu ängstlich, um zu fragen, was genau das war. Es hörte sich primitiv an – wie eine Höhle. Sollte sich also herausstellen, dass es besser als eine Höhle war, wäre sie angenehm überrascht. Cornelius suchte ihre Sachen zusammen und packte, und gleich machten sie sich auf den Weg.
Jetzt sah Erin die Stadt zum ersten Mal bei Tageslicht. Es war ein fürchterlicher Schock. So musste eine Mondlandschaft aussehen. Es gab kleine Hügel mit versteckten Eingängen, in die, wie Cornelius erklärte, die Erdwohnungen hineingebaut waren. Hier schienen die meisten Bewohner der Stadt zu leben, unter der Erde waren sie am besten vor Hitze und Wind geschützt.
Cornelius und Erin gingen die Hauptstraße hinunter. Der Wind wirbelte den roten Staub auf, der sich in der trostlosen Landschaft verflüchtigte. Sie kamen an einem Gemischtwarenladen vorbei, danach an einer Tankstelle mit nur einer Zapfsäule und an einem Restaurant mit dem Namen The Star of Greece, das allerdings geschlossen hatte. Seltsamerweise gab es eiserne Gitterstäbe an allen Fenstern. Erin überlegte, ob die Gitter die Fenster vor aufwirbelnden Gegenständen oder vor Einbrüchen schützen sollten. Erin sah ein Schild, das auf eine Kirche hinwies, auch diese befand sich unter der Erde. Die Straßen waren schmutzig, es gab keinen einzigen Baum, keine einzige Pflanze oder Rasenfläche,so weit das Auge reichte. Es war sehr seltsam, kein Grün zu sehen, vor allem für jemanden, der aus England kam.
Klapprige Fahrzeuge rumpelten an ihnen vorbei und wirbelten ganze Wolken aus Staub auf, der sich auf sie legte und sie zu ersticken drohte. Die Wagen waren so schmutzig, dass ihre Farbe nicht mehr zu erkennen war. Sie schienen sich der Landschaft angepasst zu haben. Die meisten waren verrostet und zerbeult, viele hatten keinen Auspuff. Es gab Jeeps und Kombis, Pick-ups und Kleinlaster, kaum einer davon jedoch im Originalzustand. Erin vermutete, dass die langen Fahrten über holpriges Gelände ihr Übriges getan hatten oder dass die Fahrzeuge so umgebaut worden waren, dass sie den Anforderungen der Gegend entsprachen.
Plötzlich blieb Erin wie angewurzelt stehen. Eine Gruppe Aborigines stand bei den Minenarbeitern, alle debattierten miteinander, Kinder, Erwachsene und Greise. Sie redeten in ihrer Stammessprache, und Erin verstand natürlich nicht, was sie sagten. Sie vermutete, dass sie stritten. Manche riefen den Minenarbeitern, die ihren Geschäften nachgingen, etwas zu. Es war beängstigend anzusehen, denn die Aborigines schienen aufgeregt oder sogar wütend zu sein. Die Haare standen ihnen wild vom Kopf ab, nur wenige trugen Strickhüte. Erin wunderte das, denn schon die Morgensonne brannte erbarmungslos. Alle trugen sie bunt zusammengewürfelte Kleidung, aber keine Schuhe an den breiten, schwieligen Füßen, obwohl der Boden steinig und ganz bestimmt auch sehr heiß war. Ein paar dürre Hunde liefen um die Gruppe herum.
Erin und Cornelius liefen weiter, von den Minenarbeitern skeptisch beäugt. Cornelius grüßte, doch als Antwort gab es nur zurückhaltendes Schweigen und warnende Blicke. Die meisten schienen Ausländer zu sein, sie wirkten einschüchternd. Waffen sah Erin bei keinem, aber ihr war klar, dass die sehr wohl unter der Kleidung verborgen sein konnten.
»Vielleicht sprechen sie nicht Englisch«, sagte sie leise.
»O doch, bestimmt«, erwiderte Cornelius. »Die Minenarbeiter bleiben gern unter sich. Die glauben immer, alle
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