Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
begrüßen. Erin konnte einen kurzen Blick auf die lärmenden Hotelgäste werfen. Es waren grobschlächtige Typen, genau wie ihr Onkel gesagt hatte. Dass sie Pistolen bei sich trugen, hatte sie allerdings nicht erwartet. Erin kam sich vor, als wäre sie im Wilden Westen.
»Tag, Davo«, sagte Willy. »Hier sind deine Gäste, Mr. Wilder und seine Begleitung. Hab sie sicher und wohlbehalten hergebracht. Zum Glück sind sie nicht in der Gegend herumgelaufen, dann hätte ich sie nämlich nie im Leben gefunden.«
Der Mann gab Cornelius und Erin die Hand. »Ich bin Cyril Davidson. Und danke, Willy. In der Bar steht ein Bier für dich«, sagte er.
Der Kameltreiber leckte sich die Lippen und verschwand. Und Erin konnte einen weiteren beängstigenden Blick auf die rüden Bewohner der Stadt werfen.
»Tut mir leid, Leute, dieses ganze Chaos«, entschuldigte sich Cyril. »Aber wir sind im Outback. Nach Plan läuft hier gar nichts.«
Der Hotelbesitzer hatte breite Schultern, ein ärmelloses Unterhemd gab den Blick auf behaarte Arme frei. Sein Bauch sah aus, als wollte er jeden Moment platzen, und bezeugte so seine Vorliebe für große Mengen Bier. Cyril hatte blitzende blaue Augen, auch er war unrasiert. Erin glaubte allmählich, dass Rasierklingen im Outback schwer zu bekommen waren.
»Wir sind froh, dass uns am Ende doch noch jemand abgeholt hat, Mr. Davidson«, sagte Cornelius. »Seit dem Frühstück im Zug hatten wir nichts mehr getrunken – bis Willy am Abend kam.«
»Sie haben die goldene Regel gebrochen«, erwiderte Cyril tadelnd. »In Australien darf man sich nie ohne Wasser von der Zivilisation entfernen. Ohne Wasser geht man hier nirgends hin. Das kann über Leben oder Tod entscheiden.«
»Wir sind davon ausgegangen, dass uns jemand am Bahnhof abholt«, verteidigte Erin sich und ihren Onkel.
Wie konnte er sie tadeln! Es lag ihr auf der Zunge zu sagen, dass er sich als Hotelbesitzer besser angemessener kleiden sollte, doch sie hatte nicht mehr die Kraft. Erin nahm den Hut ab, und ihr dunkles Haar ergoss sich über ihre Schultern. Sie war so müde, dass ihr nicht auffiel, wie Cyril sie musterte, doch Cornelius entging die Reaktion des Hotelbesitzers nicht. Auch wenn sie müde war und dringend ein Bad brauchte, war Erin immer noch attraktiv.
»Man muss stets mit dem Unvorhergesehenen rechnen«, sagte Cyril jetzt. »Na ja, die Lektion haben Sie eben auf die harte Tour gelernt, nun sind Sie ja hier. Denselben Fehler machen Sie sicher nicht noch mal, oder?«
Er führte sie zu ihrem Zimmer auf der Rückseite des Hotels. Es war hinreichend sauber und bequem, die beiden Einzelbetten trennte ein schmaler Schrank.
»Ich hoffe, Sie und die Missus werden es bequem haben«, sagte Cyril.
»Missus!«, entgegnete Cornelius überrascht. »Sie denken doch nicht, dass wir … Erin ist meine Nichte.«
»Oh.«
Wieder musterte Cyril Erin interessiert. Cornelius bedauerte schon, dass er Erin nicht als seine Frau vorgestellt hatte. Es wäre womöglich sicherer für sie gewesen.
»Da ist noch ein freies Zimmer nebenan«, sagte Cyril. »Für zwei Zimmer zahlen Sie allerdings dann auch doppelt.«
»Ist schon in Ordnung«, mischte Erin sich ein. »Wir wollen ja nur irgendwo schlafen und ein Bad benutzen können.«
»Bäder haben wir nicht, aber meine Frau wird sich um Sie kümmern und Ihnen sagen, wo Sie sich waschen können«, sagte Cyril. »Im Moment schlichtet sie allerdings gerade einen Streit zwischen den zwei verstocktesten Minenarbeitern der Stadt.«
Sie hörten ein lautes, verärgertes Aufbrüllen, und Erin riss die Augen auf. »Die Männer können einem ja Angst machen«, sagte sie. »Sind Sie sicher, dass Ihrer Frau nichts passieren wird?«
»Das war wahrscheinlich Aimee, die Sie da gerade gehört haben.« Cyril lachte. »Streit schlichten ist ihre Spezialität. Die Männer haben Respekt vor ihrer Meinung, die sie normalerweise mit einigem Nachdruck vorbringt. Ich schicke sie Ihnen gleich mit einem Tablett Sandwiches und Tee her.«
»Wir wollen ihr keine Mühe machen«, sagte Erin ängstlich.
»Das ist keine Mühe«, entgegnete Cyril. »Es ist Aimees Aufgabe, sich um die zahlenden Gäste zu kümmern.« Er wandte sich an Cornelius. »Wenn Sie statt Tee lieber einen Drink hätten, Sie wissen ja, wo die Bar ist«, sagte er.
»Tee wäre schön«, erwiderte Cornelius. Er verspürte nicht den Wunsch, sich unter die streitenden Gäste der Bar zu mischen.
»Na dann …« Cyril ging hinaus.
»Hast du nicht gesagt, es
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